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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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empörte sie sich in Richtung Paula. »Den Mörder sollen Sie einsperren, nicht mich! Ich gehe zur …«
    »… Polizei«, ergänzte Tommi. »Aber da sind sie schon, gnädige Frau!«
    Die Woerner drehte sich auf den Absätzen ihrer High Heels um, raffte ihre Einkaufstaschen mit den edlen Logos zusammen und marschierte Richtung Ausgang. »Sie werden noch von mir hören! Das verspreche ich Ihnen!«
    »Geht ihr nach und lasst sie von einer Funkstreife nach Hause bringen«, sagte Paula zu Tommi und Max. »Und prüft bitte, ob da was dran sein kann an einem Verfolger …«
    Mit einem lauten Seufzen ging Paula zurück in ihr Büro, klappte ihre Akten und den Laptop zu und machte sich dann auf den Weg nach Hause.
     
    Auf der Kantstraße entdeckte Paula etwas in einem Schaufenster, das ihr Interesse erregte. Es war ein Picknickkorb. Eigentlich ein blauer Rucksack mit sämtlichem Zubehör: eine Decke, Plastikbecher und -teller, Besteck, kurz alles, was für ein Picknick für vier Personen nötig war. Inklusive eines separaten Thermofachs für warme oder kalte Getränke. Ein ideales Geschenk für ihren Neffen. Sie sah sich schon in fröhlicher Runde an einem sonnigen Plätzchen am Wannsee sitzen und Manuel den Erwachsenen mit ernsthaftem Eifer aus einer Thermosflasche einschenken. Hoffentlich spielt das Wetter mit, dachte sie. Noch war es ziemlich kühl und unbeständig für ein Picknick. Egal, spätestens beim nächsten Besuch im Sommer würde der Korb zum Einsatz kommen. Sie öffnete die Ladentür mit einem warmen Gefühl der Vorfreude.
     

27
    I mmer hatte er nach dem Prinzip »leben und leben lassen« gehandelt. Doch jetzt wollte er die Sache zu Ende bringen. Zum dritten Mal würde er das Beil der Gerechtigkeit erheben und zuschlagen. Er hatte lange genug darauf gewartet.
    Am späten Abend richtete er sich im Bad sorgfältig für den Clubbesuch her. Niemand sollte sich an den jungen Mann erinnern, mit dem sie gelacht und ein paar Drinks genommen hatte und mit dem sie schließlich fortgegangen war. Er wollte sympathisch und sportlich wirken, aber gleichzeitig möglichst unauffällig. Schwarze Jeans, helles Shirt, Lederjacke. Kein Schmuck, nur eine preiswerte, schlichte Uhr. Er blickte in den großen Spiegel im Schlafzimmer und sah einen frisch geduschten und rasierten jungen Mann mit halblangem Haar und freundlichen braunen Augen. Mit einem verführerischen Lächeln strich er sich das noch nasse Haar hinter die Ohren. Als Letztes steckte er das kleine braune Fläschchen in seine Hosentasche, verließ leise die Wohnung und ging in Richtung U-Bahn-Haltestelle.
    Es würde noch mindestens eine Stunde dauern, bis es so weit wäre. Das erschien ihm wie eine Ewigkeit. Natürlich könnte er die ganze Zeit in der U-Bahn verbringen, zwischen den verschiedenen Haltestellen hin- und herfahren, ein paarmal aus- und wieder einsteigen, doch er spürte, dass er heute Abend zu ungeduldig dafür war. Es herrschte eine Atmosphäre von Angst und Feindseligkeit in der U-Bahn, wie häufig um diese Uhrzeit. Irgendetwas lag in der Luft und drohte jeden Moment zu explodieren. Beunruhigt blickte er sich um. Eine Gruppe still-aggressiver Teenager stand in seinem Waggon. Der Typ, der sich neben ihm niedergelassen hatte, war ein schielendes Riesenbaby, das auf seiner Unterlippe herumkaute und sich dauernd die Handrücken kratzte. Wog sicher 150 Kilo, und wenn ein falsches Bild in seinem kurz geschorenen Schädel auftauchte, könnte er vielleicht auf die Idee kommen, ihm eine zu verpassen. Nur weil er dasaß oder guckte oder lebte. Er tat so, als schliefe er. Daran konnte sich ja niemand stören. Mit geschlossenen Augen lehnte er den Kopf an die Fensterscheibe.
    Der Zug bremste. Noch fünf Stationen, dachte er. Alexanderplatz, Rosa-Luxemburg-Platz, Senefelderplatz, Eberswalder Straße, Schönhauser Allee. Schönhauser wollte er aussteigen. Dort würde er die restliche Zeit mit einem Spaziergang in Prenzlauer Berg totschlagen.
     
    Als er bei dem Club ankam, war die Schlange bereits endlos. Die Stimmung unter den Wartenden war gut. Er reihte sich hinten als Letzter ein. Mit Sicherheit war sie schon da, wie jede Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Er hatte sie und ihre Gewohnheiten lange genug beobachtet, um sicher sein zu können.
    Langsam rückte die Reihe auf.
    Für einen Moment schloss er die Augen und atmete tief ein und aus. Ich wäre bestimmt ein guter Schauspieler geworden. Vielleicht hätte ich es sogar bis ans Berliner Ensemble oder ans Deutsche

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