Unschuldig
hinter ihnen geschlossen hatte und sie nebeneinander die Treppen hinuntergingen, sagte sie zu Max: »Wir sollten uns Gina auch noch anhören.«
Zurück im Büro fand Paula mehrere Nachrichten bei Ulla vor, die die Schauspielerin Nadine Woerner hinterlassen hatte. Sie bat die Kommissarin um dringenden Rückruf. Kaum hatte Paula ihren Laptop geöffnet, klingelte ihr Büroapparat. Es war die Schauspielerin. »Ein Mann verfolgt mich«, sagte sie, ohne ihren Namen zu nennen. Paula hatte sie sofort an der Stimme erkannt. »Ich werde die Nächste sein, die er tötet.«
»Bitte beruhigen Sie sich. Wo sind Sie?«
»Bei Gucci auf dem Ku’damm.«
»Sind Sie allein?«
»Nein, hier sind zwei Verkäuferinnen und noch eine weitere Kundin.«
»Wo ist der Mann, den Sie verdächtigen?«
»Er steht auf der Straße vor dem Schaufenster.«
»Was macht er da?«
»Er glotzt hier in den Laden rein. Und sieht mich die ganze Zeit an.«
»Kennen Sie ihn?«
»Nein, aber er hat so ein typisches Gesicht.«
»Ein typisches Gesicht?«
»Na, das eines Serienkillers.«
Paula atmete auf. Die Schauspielerin war offensichtlich ein bisschen überspannt.
»Dann möchte ich Ihnen raten, nach Hause zu fahren. Es ist nicht anzunehmen, dass Sie der Mörder so offensichtlich verfolgt.«
»Es sind schon zwei Freunde von mir ermordet worden, und Sie schicken mich nach Hause? Damit er mich da umbringt?«
Paula schaffte es dann doch nach einer Weile, die Schauspielerin zu beruhigen, und bot ihr an, sie könne sie jederzeit auf dem Handy anrufen. Dann machte sie sich an die Beantwortung zahlreicher Mails und verfasste einen Bericht über die Befragung von Michi Rohde.
Eine halbe Stunde später rief die Woerner sie auf dem Handy an. »Er folgt mir auf Schritt und Tritt, Frau Zeisberg«, rief sie mit schriller, hysterischer Stimme. »Sie müssen etwas tun!«
»Sind Sie denn schon zu Hause?«
»Nein.« Ihre Stimme klang nun fast beleidigt. »Ich brauch ja schließlich was zum Anziehen. Ich bin jetzt bei Armani, und der Kerl lauert wieder vor dem Schaufenster!«
Die Woerner schien sich ausschließlich in Läden mit Nobelmarken herumzutreiben. Paula war jetzt sicher, dass hier nur »Ich bin ein Star! Holt mich hier raus!« gespielt wurde. »Ich habe Ihnen geraten, nach Hause zu fahren. Befolgen Sie das bitte. Wenn sich der Mann vor Ihrem Haus zeigt, schicken wir eine Funkstreife, die seine Personalien aufnimmt. Aber ich denke nicht, dass Sie in Gefahr sind …«
Eine weitere halbe Stunde später erkannte Paula erneut Nadine Woerners Nummer auf dem Display ihres klingelnden Handys. »Sind Sie schon zu Hause?«
»Wo denken Sie hin? Ich bin gerade in einer Umkleidekabine. Aber ich traue mich nicht raus! Ich kann den Kerl riechen, so nah ist er. Bitte schicken Sie Ihre Kollegen zu Versace!«
»Fahren Sie einfach nach Hause und tun, was ich gesagt habe«, fauchte Paula jetzt ins Telefon. Dann legte sie auf, ohne die Antwort abzuwarten.
Kurz darauf erhielt Paula eine SMS von der Schauspielerin: Heißt das, die Polizei schickt keine Leute für meine Sicherheit? Sie drückte auf die Löschtaste und wandte sich wieder ihrem Bericht zu.
Nach fünf Minuten kam Tommi in ihr Büro. »Du, die Woerner will dich unbedingt sprechen. Sie ist auf Ullas Leitung. Sie sagt, sie wird vom Optiker verfolgt.«
»Die Woerner verfolgt mich . Sie shoppt auf dem Ku’damm und glaubt, der Mörder ist hinter ihr her. Ich habe ihr gesagt, sie soll nach Hause fahren, ich schick ihr eine Streife vorbei, falls ihr jemand dorthin folgt. Vielleicht kannst du dich mal drum kümmern, Tommi?«
»Mach ich. Jungfrauen, Witwen und Promis retten ist meine Leidenschaft!«
Paula hatte kaum ein paar Telefonate erledigt, als sie plötzlich Lärm auf dem Flur vor ihrem Büro hörte. Neben den beschwichtigenden Stimmen ihrer Kollegen erkannte sie die Stimme der Woerner.
Paula gab auf und öffnete die Tür.
Am Ende des Ganges stand die Schauspielerin inmitten ihres Teams und beschwerte sich über die Berliner Polizei. Paula hörte »schutzlos«, »Gemeinheit«, »mein Recht als Bürgerin«, »Killer«, »Leibwächter« und »Presse« heraus.
»Nehmt bitte Frau Woerner fest«, sagte Paula knapp.
Der Schauspielerin blieb vor Schreck der Mund offen.
»Wir nehmen Sie in Schutzhaft. Tommi, übergib die Dame einem Beamten, damit sie eingesperrt wird! Nur so können wir für Ihre Sicherheit garantieren, Frau Woerner.«
Die erwartete Reaktion trat prompt ein. »Was erlauben Sie sich«,
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