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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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der Probestunde fest gebucht hatte. Manuel packte im Wohnzimmer ein paar Sachen in seinen roten Rucksack. Während Paula sich anzog, beobachtete sie ihn: Sorgfältig verstaute er Zeichenblock und Stifte, das Schweizer Messer von Jonas, vier Trinkpäckchen, zwei Äpfel und zwei Brote, die Sandra mit Teewurst bestrichen hatte. Paula hatte versprochen, Manuel zu seinem neuen Freund Luca zu bringen, bevor sie selbst ins Büro fuhr. Lucas Vater Enrico würde mit den beiden Jungs einen Ausflug in den Tierpark unternehmen. Sie flitzte in die Küche, um schnell noch eine Tasse Tee zu trinken und eine Scheibe Brot zu essen, aber Manuel stand bereits aufgeregt mit seinem Rucksack an der Wohnungstür und rief: »Darf ich unten auf dich warten?«
    »Nein, ich bin sowieso schon fertig!«, rief sie und zog ihre Lederjacke an. Sie goss einen Schuss Milch in den schwarzen Tee, den Sandra für sie warmgestellt hatte, als ihr Handy klingelte. Es war Tommi, der ihr weitere Ermittlungsergebnisse im Fall Claudia Borowski mitteilen wollte.
    »Nicht jetzt, ich bin in einer Viertelstunde sowieso im Büro«, wehrte Paula ihn ab, aber er bestand darauf, sie wenigstens über das Wichtigste schon vor der Besprechung zu informieren. Offensichtlich wollte er ein paar Lorbeeren für seine gute Arbeit ernten.
    Erwartungsvoll und ungeduldig von einem Bein aufs andere hüpfend, schaute Manuel sie an.
    »Na gut, dann geh schon mal nach unten und warte an der Tür auf mich«, sagte sie. »Ich komm sofort nach.« Und zu Tommi gewandt: »Dann schieß los.«
    Manuel drehte sich an der Tür um, hob die Hand und winkte ihr. Nur mit halbem Ohr lauschte sie Tommis Ausführungen. Hektisch suchte sie einen Notizblock und einen Stift auf dem Wohnzimmertisch, der mit Malbüchern, Papierfliegern und allerlei Krimskrams übersät war. Manuel stand noch immer in der offenen Wohnungstür und zappelte vor Ungeduld und Aufregung. Ein kleiner Junge, der zu große Kleidung trug. Paula fiel auf, wie dünn seine Beine in den Jeans waren und wie schmal sein Hals in dem blauen Blouson, der mindestens zwei Nummern zu groß war. Seine Schirmmütze hielt er in der Hand. »Dann geh ich schon mal runter«, rief er fröhlich, und Paula hörte noch, wie er laut singend die Treppe hinuntersprang.
    Kurz darauf war er verschwunden.
     

35
    M it so viel Glück hätte er nie gerechnet. Er hatte den Jungen direkt vor der Haustür angesprochen. »Hallo.«
    Der Himmel war nur leicht bewölkt, ein weiterer warmer und sonniger Frühlingstag kündigte sich an. Das Thermometer an der Adenauer-Apotheke hatte fünfzehn Grad angezeigt. Er bemerkte, dass der erste Impuls des Kleinen war, auch Hallo zu sagen, aber er bremste sich noch rechtzeitig. Wahrscheinlich durfte er nicht mit Fremden sprechen.
    »Hallo, wie geht’s dir?«, ergänzte er lächelnd. »Ich hab dich neulich auf dem Spielplatz in der Mommsenstraße gesehen. Du hast doch da mit Luca gespielt.«
    Die misstrauische Miene des Kleinen hellte sich auf. »Ja, ich will jetzt auch zu Luca. Paula bringt mich.«
    »Schön.« Er wartete.
    Auf der Straße war weit und breit kein Mensch zu sehen. Heute war wirklich sein absoluter Glückstag. »Und was machen wir beiden Hübschen jetzt mit dem angebrochenen Vormittag?«
    Der Kleine verstand nicht, was er damit meinte.
    »Wollen wir etwas zusammen unternehmen?«
    »Nein, wir wollen in den Tierpark. Luca und ich und sein Vater. Wir sind den ganzen Tag unterwegs.« Stolz zeigte der Kleine auf seinen roten Rucksack. »Ich habe viel Proviant dabei. Und mein Schweizer Messer.«
    »Deshalb bin ich ja hier. Luca wartet schon mit Fabian auf dich«, log er.
    Der Junge schaute ihn fragend an.
    »Fabian ist mein kleiner Bruder.«
    Der Kleine sah vertrauensvoll aus seinen tiefblauen Augen zu ihm auf.
    »Fabian und Luca sind Freunde, weißt du.«
    »Ich bin auch ein Freund von Luca«, sagte der Kleine bestimmt und drückte seinen Rucksack.
    Er spürte, dass er den Jungen jetzt hatte.
    »Ich weiß, ich weiß, Luca schickt mich doch. Komm mit zu meinem Wagen, er wartet dort auf dich.«
    »Luca wartet im Auto?«, fragte der Junge. »Er ist doch zu Hause.«
    »Nein, von da habe ich ihn ja abgeholt. Ich fahre euch in den Tierpark. Mein Auto steht gleich um die Ecke. Willst du denn nicht mit?«
    »Doch, ich muss aber auf Tante Paula warten. Sie kommt bestimmt gleich.«
    »Du kannst mit den Jungs im Auto schon mal eine Runde Gameboy spielen, ich gehe sofort zurück und warte hier solange auf Paula. Komm, ich bring

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