Unschuldig!
gepresst.
“Und Sie haben lange Zeit für ihn gearbeitet?”
“Sieben Jahre.”
“Dann kannten Sie wohl besser als jeder andere seine Gepflogenheiten, die Leute, mit denen er sich traf, wen er nicht mochte, wem er nicht traute.”
Edith hatte die erste Hälfte ihres Mittagessens verzehrt und spülte mit ein paar Schlucken Limonade nach, um dann zur zweiten überzugehen. “Er kam mit vielen Menschen zusammen. Das ist bei allen Ratsmitgliedern so.”
“Haben Sie zufälligerweise noch seinen Terminkalender?” fragte er hoffnungsvoll.
“Den hat die Polizei an sich genommen, aber ich habe seinen Terminplan immer auswendig gelernt.” Sie machte eine Pause und sah Steve an, als versuche sie, eine Entscheidung zu treffen. Ihr Gesichtsausdruck verriet nichts. “Ich könnte Ihnen sagen, wen er in den letzten drei Wochen vor seinem Tod getroffen hat”, sagte sie nach einer Weile.
“Das würde ich sehr zu schätzen wissen, Edith.”
Es schien ihr zu gefallen, dass er sie mit ihrem Vornamen angesprochen hatte. Mit monotoner Stimme rasselte sie alle Namen der Leute herunter, mit denen Paul in den letzten 20 Tagen Kontakt gehabt hatte. Darunter befand sich der Bürgermeister, mit dem sich Paul täglich getroffen hatte, die drei anderen Ratsmitglieder, sein Wahlmanager, der einen großen Teil seiner Zeit beanspruchte, sowie ein halbes Dutzend seiner großzügigsten Unterstützer und eine Hand voll örtliche Reporter.
Steve notierte alle Namen. “Er ist nicht von einem Fremden angerufen worden? Oder von jemandem, der sich verdächtig oder gefährlich angehört hat?”
Edith schüttelte den Kopf. “Vinnie Cardinale ist der Einzige, der in diese Kategorie fällt, aber er hat Paul nie besucht. Wenn sie Kontakt hatten, dann lediglich telefonisch oder über Cardinales Anwälte.”
“Machte sich Paul seinetwegen Sorgen?”
“Wenn Sie wissen wollen, ob er Angst hatte, dass Cardinale ihn umbringen könnte …”, sie schüttelte den Kopf, “… nein, Angst hatte er nicht. Auch wenn Cardinale einen gewissen Ruf hat, habe ich ihn auch nie für eine Bedrohung gehalten. Ein Mann von seinem Schlag schert sich nicht darum, wenn er in einer Stadt abgeschmettert wird. Er zieht einfach weiter zur nächsten.”
Steve war zu der gleichen Ansicht gelangt, weshalb er auch nicht vorhatte, den Gangsterboss zu befragen. Jedenfalls nicht im Augenblick.
Dann endlich stellte er die Frage, die ihm schon die ganze Zeit über auf den Nägeln gebrannt hatte. “Und was ist mit
Gleic Éire?
Ich habe gehört, dass Paul vorhatte, den Mord an seiner Schwester neu aufzurollen.”
Edith schluckte erst den letzten Bissen, bevor sie antwortete. “Das stimmt. Vor ein paar Monaten hatte er mich gebeten, alle Informationen zusammenzutragen, die über das Bombenattentat in Manhattan und über
Gleic Éire
verfügbar waren.”
“Halten Sie es für möglich, dass
Gleic Éire
auch der Grund für die Pressekonferenz war, die er angesetzt hatte?”
“Ich weiß nicht. Es könnte sein.” Mit gesenktem Kopf drückte Edith die Klarsichtfolie zu einer kleinen Kugel zusammen und hielt sie einen Moment lang fest, bevor sie sie in den braunen Beutel warf. “Ich habe ihn damit aufgezogen”, sagte sie mit einem traurigen Lächeln, das ihren Gesichtszügen etwas Sanftes verlieh. “Ich habe ihm vorgehalten, er hätte Geheimnisse vor mir, seiner loyalsten Mitarbeiterin.”
“Und was hat er gesagt?”
“Dass ich ihn noch ein wenig länger ertragen müsste, und dass die Verschwiegenheit schon bald einen Sinn ergeben würde.”
Sie hielt abrupt inne, als wäre ihr klar geworden, dass sie mehr gesagt hatte als beabsichtigt. Als sie auf ihre Uhr sah, wusste er, dass das Gespräch beendet war.
“Danke, dass Sie sich mit mir unterhalten haben, Edith.”
“Gern geschehen.” Sie stand auf. “Ich muss jetzt los, ich möchte nicht zu spät kommen.”
Steve bezweifelte, dass Edith jemals zu spät gekommen war oder auch nur einen Tag gefehlt hatte. Er stand neben der Bank, während er ihr nachsah. Als sie an einem Papierkorb vorbeiging, warf sie die braune Papiertüte hinein und war wenig später im Gebäude verschwunden.
Steve starrte einen Moment lang auf die Tür, dann sah er auch auf die Uhr und bemerkte, dass die Zeit gerade noch reichte, um für die tägliche Pressekonferenz zur Polizeiwache zu gehen. Danach würde er versuchen, Jennifer Seavers ausfindig zu machen, um zu sehen, ob sie ihn ins Haus ihres Onkels ließ.
Dort befanden sich
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