Unschuldig!
für einen Lügner gehalten, Charles”, sagte Julia. “Für einen Starrkopf, ja. Ganz sicher für einen Tyrannen, aber nicht für einen Lügner.”
Er begann zu lächeln, bremste sich dann aber. “Pilar hat gesagt, Paul sei ein zorniger Mann gewesen. Das … war mir nicht bewusst.”
“Er wollte nicht, dass du es weißt. Er wäre lieber gestorben, ehe er dir gegenüber seine Fehler gezeigt hätte.”
“Aber warum dieser Zorn?” fragte er. “Paul hatte alles, was er wollte. Er kam herum.”
Sie schüttelte den Kopf. “Das, was er sich am meisten wünschte, besaß er nicht.”
“Was war das?”
“Er wollte so wie du sein, so gut wie du, damit du auf ihn stolz sein konntest. Das wollte er mehr als alles andere in der Welt, und er wusste, dass er das nicht haben konnte.”
Charles stand am Fenster und hatte das Gefühl, dass eine zentnerschwere Last auf seiner Brust lag. Er dachte an Pauls letzte Worte.
“Du wirst auf deinen Sohn stolz sein, Dad.”
War das alles, was er erreichen wollte? Dass sein Vater stolz auf ihn war? Hatte Paul die Pressekonferenz nicht arrangiert, um Julia, sondern um ihn zu beeindrucken?
Dann schoss Charles ein Gedanke durch den Kopf, der einen bohrenden, fast lähmenden Schmerz verursachte.
Hatte er unabsichtlich seinen eigenen Sohn getötet?
“Es tut mir Leid, Charles.”
Er spürte Julias Hand auf seiner Schulter, drehte sich aber nicht um. “Du hast nichts falsch gemacht.”
“Ich habe mich nicht entschuldigt. Ich fühle mit dir mit. Mit dir und deinem Leid.”
“Ich weiß nicht, ob ich dein Mitgefühl verdient habe.”
“Im Augenblick schon.” Sie klopfte ihm leicht auf die Schulter, dann zog sie ihre Hand zurück. “Und für den Fall, dass du es nicht schon selbst gemerkt hast: Ich weiß das sehr zu schätzen, dass du hergekommen bist. Das kann nicht so einfach für dich gewesen sein.”
“Einfacher jedenfalls, als mich Pilar zu stellen, wenn ich es nicht gemacht hätte.”
Sein Versuch, witzig zu sein, ließ Julia lächeln. “Ich hoffe nur, du wartest nicht noch mal zwölf Monate, bevor du zurückkommst.”
Ihre Blicke trafen sich. “Das wird nicht geschehen.”
Er stand einen Moment lang verlegen da. “Wie geht es Andrew?” fragte er und machte dem Schweigen ein Ende.
“Jeden Tag besser.”
“Das ist gut.” Er nickte. “Ich melde mich.”
Er ging zurück zu seinem Eldorado, den Kopf gesenkt, während er die Dämonen bekämpfte, von denen er wusste, dass sie ihn für den Rest seines Lebens verfolgen würden.
20. KAPITEL
“M om, gehst du zu einem Date?”
Andrew lag auf dem Bauch auf Julias Bett und hatte sein Kinn in die Hände gestützt, während er sie interessiert beobachtete.
“Es ist kein Date.” Julia holte den schwarzen Blazer aus dem Schrank und hielt ihn vor sich, um sich im Spiegel zu betrachten. “Steve und ich essen nur gemeinsam zu Abend.”
“Grandma sagt, es ist ein Date.”
Das war klar, dachte Julia. Am gestrigen Nachmittag, nachdem sie sicher sein konnte, dass Coop nicht da war, hatte Grace einen Zwischenstopp an der “Hacienda” eingelegt, um Steve zu treffen. Vom ersten Moment war offensichtlich gewesen, dass sie sehr erfreut war über den neuen Gast. Umso erfreuter war sie, als sie erfuhr, dass Steve und Julia gemeinsam ausgingen.
“Wenn es kein Date ist”, bohrte Andrew nach, “warum tust du dann dieses Zeug auf die Augen? Jimmys Schwester macht das immer, wenn sie mit ihrem Freund weggeht.”
Beunruhigt darüber, dass sie es mit dem Lidschatten übertrieben haben könnte, sah Julia in den Spiegel. Sie fand das zwar eigentlich nicht, dennoch feuchtete sie einen Finger mit der Zunge an und strich leicht über ihre Augenlider, bis nur noch ein Hauch von grün zu sehen war.
“Und?” sagte sie, drehte sich um und schnitt eine Grimasse. “So besser?”
Andrew grinste.
Julia wandte sich wieder dem Spiegel zu. Gott sei Dank muss ich mir nicht allzu viele Gedanken darüber machen, was ich anziehen soll, dachte sie, während sie ein anderes Jackett aus dem Schrank nahm und es der gleichen strengen Begutachtung unterzog. Das “Raging Bull” in der Cannery Row war die Verkörperung des Lässigen, mit Sägemehl auf dem Boden, lauten Gästen und großen Steaks. Egal, was sie anziehen würde, alles wäre passend.
“Magst du ihn?” fragte Andrew plötzlich.
“Wen?” Sie sah ihn ahnungslos an und tat so, als wisse sie nicht, wovon er sprach.
Andrew verdrehte die Augen. “Du weißt doch, wer.
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