Unschuldiges Begehren
Sie mir etwas von sich«, bat er in ruhigem Ton. »Erzählen Sie von Ihrem Leben, bevor Sie mir begegnet sind. Sie haben davon gesprochen, dass Sie eine Schwester haben. Lebt sie auch in Gatlinburg?«
»Nein, in Nashville. Sie ist dort bei einer Plattenfirma angestellt.«
»Und als was?«
»Sie macht dort irgendetwas im Büro.«
»Ist sie genauso ehrgeizig wie Sie?«
Hailey lachte leise auf. »Ich möchte nicht gemein sein, aber nein, das ist sie nicht. Allerdings macht sie
ihren fehlenden Ehrgeiz durch ihr Aussehen mehr als wett. Sie ist wirklich wunderschön.«
»Das haben Sie bereits erwähnt. âºMeine Schwester Ellen hingegen sieht fantastisch ausâ¹, haben Sie gesagt. Aber darauf gehe ich später noch mal ein. Und was ist mit Ihren Eltern?«
»Sie leben nicht mehr. Ich bin in Knoxville aufgewachsen, und kurz nach meinem Collegeabschluss, gerade als ich als Kundenberaterin bei einer Telefongesellschaft angefangen hatte, wurden die beiden krank. Deshalb bin ich wieder bei ihnen eingezogen und habe sie gepflegt. Sie sind beide im Abstand von nur ein paar Monaten gestorben, und danach habe ich das Haus verkauft, mich um den Job im Freizeitpark beworben und lebe seit vier Jahren in Gatlinburg. Nicht wirklich aufregend.«
»Ich finde Sie unglaublich aufregend.«
Sie hatte vor sich auf den Tisch gestarrt, doch der sanfte, ernste Ton, in dem er sprach, lenkte ihren Blick zurück auf sein Gesicht. Das Feuer in den grauen Tiefen seiner Augen machte deutlich, dass diese Bemerkung durchaus ernst gemeint gewesen war.
»Aber um Ihnen zu beweisen, dass ich nicht der Schurke bin, für den Sie mich anscheinend halten, erzähle ich vielleicht erst mal etwas von mir.«
Er trank seinen Kaffee aus, bat den Kellner, ihnen beiden nachzuschenken, blickte über seine Schulter, um zu sehen, ob seine Tochter noch im Hinterzimmer war, und setzte dann zu einer kurzen Rede an.
»Meine Kindheit und Jugend waren äuÃerst privilegiert.
Ich habe erst eine Privatschule und dann die Harvard Business School besucht. Es wurde allgemein erwartet, dass ich mich mit einer Frau zusammentue, die aus unseren Kreisen stammt, und das habe ich getan. Schwer zu sagen, wer von uns dem anderen das Leben schwerer gemacht hat. Monica und ich haben uns nie mehr als gern gehabt, weshalb es schon nach anderthalb Jahren zur Scheidung kam.«
»Faith war das einzig Gute, was die Ehe mir gebracht hat, aber wie es damals üblich war, blieb sie nach der Scheidung bei der Mutter, die sie gröÃtenteils allein groÃgezogen hat, während ich damit beschäftigt war, das Imperium meines Vaters immer weiter auszubauen. Nach Monicas Tod kam Faith, die mich bis dahin nur von kurzen, hektischen Wochenendbesuchen kannte, ohne Vorwarnung zu mir, und wir haben uns noch immer nicht völlig aneinander gewöhnt.« Er stieà einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Das sind also das Leben und die Lieben von Tyler Scott.«
Da es Hailey nicht gelang, Mitgefühl mit einem Mann zu haben, der trotz ungezählter Möglichkeiten offenbar den GroÃteil seines Lebens unglücklich gewesen war, stellte sie die erste Frage, die ihr bei seiner Erzählung in den Kopf gekommen war: »Was war Faiths Mutter für ein Typ?«
»Meinen Sie äuÃerlich? Sie war blond und ungeheuer attraktiv.«
Hailey unterdrückte ein Gefühl der Eifersucht und hakte nach: »Und wie war sie zu Faith?«
»Ich kann sie schwerlich kritisieren, denn ich habe
mich schlieÃlich selbst bei der Erziehung unserer Tochter nicht gerade kaputt gemacht. Sie hat sich so gut um sie gekümmert, wie es ihr als aktiver Bridge- und Tennisspielerin und Partylöwin möglich war. Ich glaube, dass sich Faith immer an ihr gemessen hat, denke aber nicht, dass Monica je aufgefallen ist, welche Minderwertigkeitskomplexe unsere Tochter hat, oder dass sie je so auf sie eingegangen ist wie vorhin Sie. Dafür danke ich Ihnen noch einmal.«
»Ich weiÃ, wie weh es tut, wenn man sich hässlich fühlt.«
»Sprechen Sie etwa aus Erfahrung?«
»Ja. Verglichen mit meinem Aussehen, als ich ein junges Mädchen war, hat Faith die Grazie einer Primaballerina. Ich wäre das perfekte Modell für eine âºVorherâ¹-Aufnahme bei einer Rundumerneuerung gewesen, ich hatte nämlich eine Brille, eine Spange, rotes Haar, war riesengroà und klapperdürr.«
Tyler stützte sich
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