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Unschuldslamm

Unschuldslamm

Titel: Unschuldslamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Arendt
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Sie lebend auf der Bank zurück.
    BUCHERER: Sie hat ja gesagt, ihr Bruder holt sie ab. Warum sollte ich das nicht glauben?
    EISENRAUCH: Kam der Bruder noch, solange Sie in Rufweite des Opfers waren?
    BUCHERER: Nicht dass ich wüsste. Aber sie hat ihm eine SMS geschickt.
    EISENRAUCH: Während Sie gesprochen haben?
    BUCHERER: Ja. Sie hat gedacht, ich merke es nicht. Aber sie hat beide Hände so komisch in der Tasche gehabt. Und nachher hat sie eine Antwort bekommen.
    EISENRAUCH: Von ihrem Bruder?
    BUCHERER: Ja. Also nein, das weiß ich natürlich nicht. Es hat halt gepiept.
    EISENRAUCH: Hat sie Ihnen die SMS gezeigt?
    BUCHERER: Nein!
    EISENRAUCH: Die Nachricht hätte also auch von irgendjemand anderem sein können? Ihrem Sohn zum Beispiel?
    BUCHERER: Theoretisch. Aber Sie wissen doch, von wem sie die SMS bekommen hat. Sie haben doch bestimmt das Handy überprüft.
    EISENRAUCH: Das haben wir. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, was Sie wissen und was Sie uns sagen.
    BUCHERER: …
    EISENRAUCH: Haben Sie sonst jemanden bemerkt? Zeugen vielleicht, die Ihre Angaben bestätigen könnten?
    BUCHERER: Das ist schon so lange her …
    EISENRAUCH: Es wäre nicht so lange her, wenn Sie damals, bei Ihrer ersten Vernehmung, gleich die Wahrheit gesagt hätten.
    BUCHERER: Ich hatte Angst, mich zu belasten. Und meinen Sohn.
    EISENRAUCH: Weshalb Ihren Sohn? Der war, Ihrer jetzigen Aussage zufolge, doch zu Hause und hat nicht bemerkt, dass Sie seiner Freundin gefolgt sind.
    BUCHERER: Ja, schon. Aber ich wollte nicht … Wenn jemand erfährt, dass sie bei uns war, bevor sie …
    EISENRAUCH: Zurück zu meiner Frage. Gibt es Zeugen für die Angaben, die Sie uns eben gemacht haben? Haben Sie jemanden auf der Straße bemerkt? Es war ein warmer Sommerabend, Ausflugsgebiet, da waren doch noch Leute auf der Straße.
    BUCHERER: Ich weiß nicht … Ja, schon. Aber die haben Sie doch damals schon alle befragt, oder?
    EISENRAUCH: …
    BUCHERER: Der Kellner. Der die Stühle hochgestellt hat. Er hat die ganze Zeit aufgeräumt und den Laden dichtgemacht. Als ich nach Hause gegangen bin, war das Café dunkel.
    EISENRAUCH: Das Café Rafih? An der Ecke Heerstraße, Teufelsseestraße?
    BUCHERER: Genau.
    EISENRAUCH: Wir werden das überprüfen.
    BUCHERER: Es waren schon ein paar Leute unterwegs. Aber ich erinnere mich nicht konkret an irgendwen. Es müssen uns Leute gesehen haben.
    EISENRAUCH: Wir tun, was wir können, aber es haben sich schon damals nicht sehr viele Zeugen gemeldet, ein halbes Jahr später wird es nicht leichter.
    BUCHERER: Es tut mir so leid.
    EISENRAUCH: Frau Bucherer …
    BUCHERER: Ich habe überhaupt nicht nachgedacht, ich habe nicht daran gedacht, dass … Ich habe nur gedacht, dass ich vielleicht die Letzte war, die sie gesehen und … ich dachte, wenn Valentin erfährt, was ich getan habe … (Die Zeugin weint heftig.)
    EISENRAUCH: Ich schlage vor, wir machen hier eine Pause.
    B ERLIN- M OABIT, A RMINIUS- M ARKTHALLE,
EIN S AMSTAGVORMITTAG IM F EBRUAR,
ELF U HR DREISSIG
    Obwohl sie sich schon tausendmal vorgenommen hatte, niemals hungrig einzukaufen, brach Ruth diesen Vorsatz nur allzu gerne und allzu oft. Sie schleppte einen vollen Einkaufskorb und zwei schwere Tüten, die ihr in die Handgelenke schnitten, und stand vor der Fisch-Bar. Sie überlegte, ob es schon die angemessene Zeit für eine köstliche Bouillabaisse mit einem Glas eiskalten Weißwein war oder ob sie sich dann als Säuferin fühlen und schämen müsste. Die Alternative wäre gewesen, ihre Beute – Bamberger Hörnchen von Kartoffel Kaiser, zwanzig orangefarbene Tulpen aus einem bösen holländischen Treibhaus, zwei Flaschen edler deutscher Bio-Grauburgunder, hausgemachte Tagliatelle, frische Mini-Pulpo, duftendes Baguette, zwei Croissants, drei Kilo Obst und Gemüse inklusive zweier Artischocken, mindestens ein Kilo sündhaft teurer Stinkekäse und als Krönung Kuchen am Stiel – nach Hause zu schleppen, sich eine weitere Kanne Tee zu kochen und ein zweites Frühstück einzunehmen. Dazu die bequeme Jogginghose und »Die Zeit«. Diese hatte sie in einem Anfall von Freizeitübermut gekauft, weil Jamila sie gezwungen hatte, sich den freien Samstag auch wirklich freizunehmen. Ganz. Nicht nur zur Hälfte.
    Noch während sie überlegte und Vernunft und Bequemlichkeit gegen Appetit und eine Prise Verrücktheit abwog, bemerkte sie einen Mann, der mit hängenden Schultern rechts von ihr stand und mit mindestens ebenso sehnsüchtigem Blick das Angebot der Fisch-Bar

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