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Unschuldslamm

Unschuldslamm

Titel: Unschuldslamm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Arendt
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bestimmten Waschmittel, Gewürzen und einer sanften Schweißnote.
    Im Flur zog Valentin sofort die Schuhe aus. Auch sein Gastgeber war auf Socken, außerdem war die gesamte Wohnung, soweit er sehen konnte, mit hochflorigen Teppichen ausgelegt. Seine Mutter hätte das nackte Grauen gepackt. Für sie waren Teppiche und vor allem Auslegware der Inbegriff der Spießigkeit. Valentin fand es gemütlich.
    Im Wohnzimmer stand Deryas Mutter und erwartete ihn. Sie sah aus wie eine ältere Ausgabe von Derya, die gleichen großen schwarzen Augen mit den kräftigen Brauen, die dicken lockigen Haare – nur, dass Frau Demizgül diese in einer modischen halblangen Frisur trug – und die gleichen ausdrucksstarken Lippen. Valentin fand, dass Deryas Mutter eine unglaublich schöne Frau war. Und eine unglaublich traurige. Ihre großen Augen lagen tief in den Höhlen und waren dunkel umschattet. Als sie ihm ihre Hand reichte, spürte er, wie kalt diese war, wie schwach und dass sie leicht zitterte. Aber Hatice Demizgül ließ sich ihre Trauer nicht anmerken, sie bot Valentin einen Platz auf dem Sofa an. Der Vater stellte ihm ungefragt ein kleines Glas gesüßten Tee hin, und Frau Demizgül verschwand in der Küche, um Nüsse und Gebäck zu holen.
    »Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so überfalle«, begann Valentin zögerlich das Gespräch.
    »Nein!« Deryas Vater hob abwehrend beide Hände. »Sie müssen sich nicht entschuldigen. Bitte nicht. Wir sind sehr froh, dass Sie uns besuchen.«
    Dabei sah er zustimmend seine Frau an, die in dem Moment das Wohnzimmer wieder betrat und eine Schale mit Pistazien, eine mit Kürbiskernen und eine mit kleinen Sesamkringeln auf dem Tisch platzierte. Sie nickte Valentin zu und versuchte ein vages Lächeln. Valentin wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte sich vorher alles zurechtgelegt, aber hier, eingesunken auf dem ausladenden Cordsofa, die Sockenfüße auf dem kuscheligen Teppich und die freundlichen, wenngleich von Trauer gezeichneten Gesichter von Deryas Eltern, die ihn erwartungsvoll anblickten, fühlte es sich nicht richtig an. Er sollte die Demizgüls nicht mit dieser seltsamen Sergul-Geschichte verwirren. Was konnten sie schon dazu sagen? Irgendeine fremde, anonyme Frau hatte im Netz behauptet, sie wisse, dass Aras nicht der Täter sei. Weil sie dort gewesen war. In der Nacht.
    Aber brauchten die Demizgüls diese Versicherung von ihm? Sicher wüssten die Eltern selbst, dass ihr Sohn Derya nicht getötet hatte. Vielleicht sollte er alles auf sich beruhen lassen, ein wenig plaudern und wieder dahin zurückgehen, wo er herkam.
    »Es ist schön, Sie kennenzulernen«, sagte Deryas Mutter gerade mit belegter Stimme. »Leider zu spät.«
    »Tut mir leid, dass ich nie vorbeigekommen bin.« Valentin schämte sich. Er hatte damals, als er mit Derya ging, gar nicht daran gedacht, sich vorzustellen. Das war irgendwie total altmodisch und spießig, sie waren ja kein Ehepaar. Und Derya hatte es immer zu verhindern gewusst, dass er ihren Eltern in die Arme lief. Auf Schulfeten hatte er sie natürlich gesehen, oder wenn sie Derya zum Bus gebracht hatten, vor dem Landschulheim oder so. Nur Aras, den hatte er richtig gekannt. Derya hatte sie miteinander bekannt gemacht, und sie hatten sich auf Anhieb gemocht. Die Art, wie Aras ihn als Freund seiner kleinen Schwester akzeptiert hatte, ließ Valentin auch stark an dessen Täterschaft zweifeln. Und natürlich, weil Derya Aras angebetet hatte. Die beiden hatten so ein enges Verhältnis gehabt; nie war Aras unfair zu Derya gewesen, so wie man es vielleicht klischeemäßig erwarten konnte. Er war nicht der große Türkenmackerbruder, der seine kleine ›Sista‹ als ›Bitch‹ abwatschte. Oder so. Er war kein Bushido-mäßiger Proll. Immer wenn Valentin die Geschwister zusammen erlebte, waren sie respektvoll miteinander umgegangen. Aras beschützte Derya, klar. Das würde jeder große Bruder machen. So wie Valentin auch Jonas beschützte (am meisten vor Mom). Aber er hatte nie mitgekriegt, dass Aras Derya blöd angemacht hätte. Oder sie wegen ihm traurig war. Deshalb war er so geneigt, dieser Sergul zu glauben. Nie und nimmer hatte Aras Derya getötet.
    »Ich wollte Ihnen nur sagen«, brach er plötzlich hervor, »dass Aras nicht der Mörder ist.«
    Die Eltern sahen erst ihn erstaunt an, dann sahen sie sich kurz in die Augen, bevor Frau Demizgül in Tränen ausbrach. Valentin war erschrocken – über sich selbst aber noch mehr als über die heftige

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