Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)
Lernen fähig sind, während das Kind einen »Instinkt« erhält, der es veranlasst, Handlungen auszuführen und sie zu beobachten. Die Faszination, die die eigenen Bewegungen auf das Kind ausüben, scheinen zu bezeugen, dass die Evolution sich für die zweite Möglichkeit entschieden hat. Infolgedessen entwickelt das Kind nicht nur ein Spiegelsystem, sondern verknüpft auch den Anblick der eigenen Handlungen in einer Weise mit dem prämotorischen Kortex, dass es überprüfen kann, ob sie so aussehen, wie sie sollen. VIII Nach dieser Auffassung könnte diese motorische Kontrollfunktion der Hauptgrund für die evolutionäre Selektion von Gehirnen mit Spiegelneuronen gewesen sein. Doch sobald das Gehirn Spiegelneuronen besaß, konnte es sie auch dazu verwenden, andere Menschen zu verstehen.
Den Unterschied zwischen dem Selbst und anderem lernen
Dank gemeinsamer Schaltkreise können wir die Handlungen anderer zu unseren eigenen Handlungen in Beziehung setzen. Doch wenn ich Ihnen ein Glas Wein gebe und Sie es nehmen, muss ich verstehen, welche Handlung die meine und welche die Ihre ist. Wie unterscheidet das Gehirn eine von mir verursachte Bewegung von einer, die Sie verursachen?
Wie erwähnt, sind die Verbindungen zwischen visuellem und prämotorischem Kortex wechselseitig. Zwar kann der Informationsfluss von visuellen zu prämotorischen Neuronen die Spiegelneuronen mit visuellem Input versorgen, doch der gegenläufige Informationsfluss dient möglicherweise dazu, die Folgen meiner eigenen Handlungen von denen zu unterscheiden, die durch äußere Ereignisse verursacht wurden.
Neuronen im prämotorischen Kortex, die auf die Ausführung von Handlung A reagieren, scheinen hemmende Verbindungen mit einigen der auf die gleiche Handlung reagierenden Neuronen in der Sehrinde zu bilden. Da das Hebb’sche Lernen in beide Richtungen (prämotorischvisuell und visuellprämotorisch) Fortschritte mit vergleichbarem Tempo erzielen dürfte, sorgt diese Parallelentwicklung für eine ideale Aufmerksamkeitssteuerung. In der Anfangsphase, wenn das Spiegelsystem intensive Selbstbeobachtung braucht, um die richtigen Verbindungen auszusuchen, ist die Rückwärtshemmung noch nicht eingerichtet, dadurch steht das eigene Verhalten im Vordergrund und beansprucht die ganze Aufmerksamkeit. Mit wachsender Übung verbessert sich die Abstimmung des Spiegelsystems, die Hemmung wird wirksamer, sodass die Selbstbeobachtung die Aufmerksamkeit immer weniger gefangen nimmt. Sobald die Entwicklung des Spiegelsystems abgeschlossen ist, hat die Hemmung ihren höchsten Stand erreicht, woraufhin das Kind seine Aufmerksamkeit von den eigenen Handlungen abwendet. Was allerdings von diesen abhängt: Das Erlernen neuer Handlungen ist natürlich von großem Interesse, sodass die Aufmerksamkeit des Kindes von diesen ganz besonders auf Hebb’sches Lernen angewiesenen Handlungen stark gefesselt wird.
Beim Erwachsenen hat die Unterdrückung der eigenen Handlungen noch zwei zusätzliche Konsequenzen. Erstens erklärt sie, wie wir unsere eigenen Handlungen von denen anderer unterscheiden. Die Handlungen anderer sind die nicht unterdrückten Folgen äußerer Ereignisse, während unsere Handlungen diejenigen sind, die die Rückwärtsverbindungen vom prämotorischen Kortex unterdrückt haben. Zweitens machen sie uns auf Fehler in unserem motorischen System aufmerksam. Stellen wir uns vor, vor uns steht ein Kunststoffbecher, und wir glauben, er sei voll Wasser, daher planen wir, ihn mit einem gewissen Kraftaufwand anzuheben, und erwarten, dass sich die Aufwärtsbewegung allmählich vollzieht. Unsere neuronalen Verbindungen unterdrücken den Anblick unserer eigenen Bewegung, indem sie die Repräsentationen langsamer Aufwärtsbewegungen hemmen. Wenn sich der Becher nun aber als leer herausstellt, lässt er sich sehr leicht heben. Infolgedessen sehen wir, wie der Becher sich rasch nach oben bewegt, eine Bewegung, die sich von der unterdrückten unterscheidet und daher einen überraschenden Input erzeugt – ein rotes Alarmlicht, das uns zu einer langsameren Bewegung auffordert. IX
Man kann nur spiegeln, was man tun kann
Wenn sich das Spiegelsystem wirklich durch Hebb’sches Lernen entwickelt, wäre zu erwarten, dass sehr kleine Kinder kein Spiegelsystem für eine bestimmte Handlung haben, bevor sie in der Lage sind, die Handlung selbst auszuführen. Beispielsweise beginnt sich das Greifen erst im Alter von etwa sechs Monaten zu entwickeln. Ein Säugling von drei Monaten
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