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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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nach tieferem geistigem Leben. Das Wort »religiös« ist ihm viel zu flach für das, was er ersehnt. »Ein Verlangen nach intensivem Glaubensleben, wahrhaftem Leben mit Jesus«, so erklärt er seiner jungen Frau das Bedürfnis. Zwei Kinder haben sie damals. Bechtloff will leben, »ohne Heuchelei, ohne im Verborgenen Sünde zu haben«. Im Verborgenen Sünde haben – was mag das für ihn bedeuten?
    Johannes Bechtloffs Sehnsucht scheint sich zu erfüllen, als er einen alten Studienfreund wiedertrifft, Hugo Baar. Baar hält eineBibelwoche in der Baptistengemeinde Hamburg-Eimsbüttel, und Bechtloff will hören, wie sein früherer Mitschüler aus der Bibelschule in Wiedenest bei Köln sich macht. Vielleicht will er auch über alte Zeiten reden. Baar predigt anders, als sie es auf der Bibelschule gelernt haben, spontan, scheinbar ohne vorbereitetes Konzept, als ob ein heimliches Feuer in ihm glühte. Als Bechtloff die Predigt lobt, sagt Baar: »Ja, aber ich kenne einen, der ist viel größer als ich«, und beseelt beginnt er von der neuen Lehre und von Paul Schäfer zu schwärmen. Er berichtet von der Generalbeichte seines Lebens, die er bei Schäfer abgelegt habe, eine Erfahrung, die ihm so gutgetan, die ihn so befreit habe. Johannes Bechtloff ist berührt. Baar bringt eine Saite in ihm zum Schwingen. Sie beten zusammen, und Bechtloff spricht sich vor Baar als Seelsorger aus. Auf Deutsch: Er schüttet ihm sein Herz aus. Nun weiß Baar, was darin ist.
    Bald darauf erhält Johannes Bechtloff eine Einladung zur Osterfreizeit in Heide. Er kommt gern. Diese Woche beschert ihm tatsächlich das tiefere, intensivere Leben mit Christus, nach dem er sich sehnt, und nun will er diese radikalere Form mit Beichte und »den Teufel blamieren« auch in seiner Gemeinde in Hamburg-Hamm einführen. Bechtloff ist sehr beliebt bei seinen Baptistengeschwistern. Bis jetzt. Diesen neuen Ton aber können sie nicht ertragen. Er ist zu heftig, drohend, strafend. Er macht ihnen Angst. Es ist ein zorniger Gott, den Bechtloff beschwört. Seine Gemeinde sagt ihm freundlich, aber unmissverständlich, dass sie in den Versammlungen lieber getröstet als mit Worten geprügelt werden will. Und entlässt ihn.
    Da fügt es sich für den jungen Familienvater – Bechtloffs Frau ist gerade mit dem dritten Kind schwanger – ganz wunderbar, dass Baar und Schäfer ihn auffordern, nach Heide zu kommen und dort als Hauslehrer zu arbeiten. Die Gemeinde wächst stetig, auch von »seinen« Baptisten in Hamburg-Eimsbüttel hat Hugo Baar eine Gruppe Jugendlicher abgezogen und Schäfer zugeführt.
    Alle arbeiten mit beim Bau des Jugendheims, Gräben werden ausgehoben, Fundamente gelegt, Mauern hochgezogen, Läden werden eröffnet, Geld verdient, alles kommt in eine Kasse. Daraus wird bezahlt, was nötig ist an Kleidung. Sie haben alles gemeinsam. Begeistert packt Johannes mit an.
    Doch auch in Heide kann Schäfer nicht unkontrolliert tun, was er will. Die Gesundheitsbehörde kündigt eine Routinekontrolle des alten Gebäudes an, in dem die Jugendlichen während der Bauarbeiten noch wohnen. Ein Problem: Es gibt nicht genügend Schlafplätze; die Jugendlichen müssen sich zu zweit ein Bett teilen. Diese Feststellung hätte zur Schließung des Heims geführt. Daher ist die Kontrolle lästig, Schäfer will sie verhindern.
    Wieder kann Onkel Paul seine Anhänger überzeugen, dass auch dies ein Akt der Verfolgung wahrer Christen ist. So lässt er seine Herde fasten; aus Protest gegen behördliche Willkürmaßnahmen treten sie nun in den Hungerstreik. Sie hungern mehrere Tage lang. Eines Nachts entdeckt Heinz Rahl im Jugendheim eine undichte Leitung, als Klempner will er sie reparieren und macht sich auf die Suche nach dem Leck. Als er an der Küche vorbeigeht, hört er Leute lachen. Er linst durch einen Türspalt hinein und sieht Schäfer und dessen engere Freunde beim Festmahl: gebratene Enten und Hühner. Es kommt ihm vor wie ein Blick ins Schlaraffenland. »Sie haben gefressen«, erzählt er später, »und wir sollten fasten.« Er lässt alles stehen und liegen, verlässt das Heim und die Gemeinschaft und kehrt nie mehr zurück. Den anderen sagt er nichts. Schon jetzt können Konflikte nicht mehr in der Gemeinschaft gelöst werden, sondern nur noch durch die Flucht.
    Die Heimkontrolle taucht dann doch noch auf. Überzählige Kinder müssen sich sofort verstecken. Bis alles vorüber ist, hocken Gudrun und ihre Freundin Lilli aus Gronau im früheren Schweinestall, jetzt ein

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