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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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heutigen Parallelfällen auch nicht. Die systematische pädosexuelle Unterwanderung der Odenwaldschule überraschte ebenfalls. Warum eigentlich? Hinweise gibt es überall von Anfang an.
    Einige Zeit nach der Geburt des dritten Kindes folgt Christel Bechtloff ihrem Mann nach Heide. Der Nachwuchs wird bei einem kinderlosen Ehepaar in Pflege gegeben – im zwei Fahrstunden entfernten Gronau, wo Hugo Baar inzwischen Prediger ist. Die Kinder sind noch zu klein; als Arbeitskräfte also nutzlos, und so kann Frau Bechtloff ungehindert mit anpacken. »Arbeit ist Gottesdienst«, sagt Paul Schäfer, er sagt es immer wieder. Christel Bechtloff teilt die Begeisterung ihres Mannes für den Prediger nicht. Nach anfänglicher Neugierde findet sie die Sache immer merkwürdiger. Besonders die Trennung von ihrem Mann irritiert sie. Der wohnt im Männertrakt. Was soll das? Fremd kommt ihr das alles vor, unnatürlich. Doch sie beruhigt sich mit dem Gedanken, dass es nur vorübergehend ist, für ein paar Wochen, bis sich eine gemeinsame Wohnung findet. Aber die findet sich nicht. Als sie gedrängt wird, endlich ein Gelübde auf Schäfers Weg abzulegen und ins Kreuzverhältnis einzutreten, lehnt sie rundweg ab. Mit schönen Worten will man es ihr schmackhaft machen als etwas sehr Erstrebenswertes: »Die Neuen sollen doch auch die Möglichkeit bekommen, in das Kreuzverhältnis gehen zu dürfen.«
    »Ich geh da nicht rein«, sagt sie und lässt sich auf keine Diskussion ein. Je klarer sie wird, desto besser behandelt Schäfer sie. Sie wartet auf eine Wohnung, und sie kann sich frei bewegen. Als sie »den Teufel blamieren« soll, ihre Sünden und alle schlechten Gedanken bekennen, denkt sie: »Das können die anderen machen, aber ich nicht.«
    Nun wird Johannes Bechtloff nach Graz abgeordnet. Man mussihn von seiner aufmüpfigen Frau trennen, mag Schäfer gedacht haben, sonst funktioniert er nicht, wie ich will. Divide et impera – teile und herrsche. Laut sagt Schäfer: »Auch die kleine Gemeinde in Graz muss mit Gottes Wort versorgt werden.« In Graz wohnt Johannes bei Gudruns Tante Resi. Weit weg und ohne seine Frau. Es gefällt ihm nicht, aber er erträgt es. Wie sie meint auch er, es ist nur vorübergehend, bis sich eine Wohnung für die Familie findet.
    Seltsam. Paul Schäfer ist auch bei einem weiteren Gebot ganz deutlich: Er fordert Ehelosigkeit und Auflösung der Familien. Also: kein Sex. Genau darum hat Schäfer auch am Böcklerschen Ehebett gerungen, als Ida und ihre Schwester langsam einnickten, weil es ihnen so eintönig war oder weil es sie überforderte.
    Kein Sex: Überhören Johannes und viele andere das? Oder ist es auch ihr eigenes Ziel? Hat Schäfer erreicht, dass sie ihre emotionalen und sexuellen Bedürfnisse für Teufelswerk halten, das sie sich abgewöhnen müssen? Oder ist etwas anderes im System Schäfer so ansprechend und kostbar für diese Menschen, dass sie andere Aspekte vollkommen ausblenden? Viele Frauen aus freikirchlichen Gruppen haben vier, sechs, acht, zehn Kinder geboren, manche mehr. Zuverlässige Empfängnisverhütung gibt es nicht. Oder man lehnt sie aus religiösen Gründen ab. Manchen dieser Frauen mag ein Leben ohne Sex erstrebenswert erscheinen. Aber den Männern?
    Alfred jedenfalls bedrängt seine kleine Freundin Gudrun unermüdlich, aber sie bleibt standhaft. Alfred schmollt: »Erst zeigst du mir den Apfel, und dann nimmst du ihn mir wieder weg.«
    Das Weihnachtsfest 1958 wollen Gudrun und Hilde mit der Familie in Graz feiern. So wie immer. Sie sagen es Paul Schäfer.
    »Zu den Eltern?«, fragt er drohend. Und dann laut: »Wer sind eure Eltern?«
    Gudrun weiß, was er hören will: »Die den Willen Gottes tun.«
    Den Kontakt zur Außenwelt schränkt Schäfer stark ein. Entweder die ganze Familie macht mit, oder man muss sich von ihr fernhalten.
    »Fragt Gott, was das Richtige ist«, befiehlt er den Schwestern. Gudrun und Hilde suchen die Antwort im Gebet. Am nächsten Morgen teilt Gudrun ihm das Ergebnis mit: »Wir sollen zu den Eltern fahren.«
    »Gut«, erwidert Schäfer, »aber wenn ihr jetzt fahrt, kommt ihr nie wieder.«
    Da bleiben sie im Heim.

KAPITEL 6
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Hingabe
    1959
Castro übernimmt die Macht auf Kuba.
Gesellschaft: Wirtschaftswunder; Autoboom.
Im Kino: … denn sie wissen nicht, was sie tun (James Dean);
Sissy (Romy Schneider);
Antikriegsfilm Die Brücke .
Schlager: Sugar Baby (Peter Kraus).
Bücher: Die Blechtrommel (Grass); Die gute Ehe – Ratgeber für Mann und Frau.
    »Einfach

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