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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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schon fünffacher Vater. Eines Tages fragt ihn eine Krefelder Krankenschwester, die Gerüchte gehört hatte, »ob ein sexuelles Vergehen stattgefunden hätte«. Seine Antwort: Schäfer hätte »die Jungen nur mittels eines kleinen Röhrchens nach Verklebung untersucht.«
    Die Kinder wissen, dass sie allein sind, und verhalten sich entsprechend. Einer hat den Mut, während der sexuellen Übergriffe zu Schäfer zu sagen: »Aber Onkel Paul, das ist doch Sünde.«
    Schäfer erwidert: »Dann müssen wir beten.« Sie knien nieder und beten.
    Einen Ausweg scheint es nicht zu geben.
    Nach fünf Tagen geht es von Brilon zurück ins Jugendheim oder nach Hause zu den Eltern. Vorher werden die Kinder einzeln von Schäfer ins Gebet genommen: »So, das vergessen wir jetzt alles, wir fahren nun nach Hause. Sag keinem was davon, sag in Heide nichts davon, sag deinen Eltern nichts davon, sonst kriegst du Ärger.«
    Was Ärger bedeutet, weiß Wolfgang inzwischen und schweigt.
    Auch die anderen schweigen. Viele schweigen ihr Leben lang. Wenn der Name des Ortes fällt, sagen alle, die dabei waren: »Hör auf mit Brilon!«
    Manche schweigen nur für eine Weile. Irgendwann geben sie dann doch etwas preis. Zögernd. Einige Eltern werden wach.
    »Was hast du denn da?«, fragt eine Mutter, als sie die Blutergüsse am Körper ihrer Tochter sieht. Die Tochter will duschen, aber nun greift sie schnell zu einem Handtuch und wickelt sich ein.
    »Nichts.«
    Doch die Mutter ist hartnäckig. Sie wickelt ihr Kind wieder aus und besieht sich die Verletzungen. Es ist ein schmerzhaftes Bild. Die andere Tochter war mit in Brilon, sie gibt ein ähnliches Bild ab. Diese beiden Mädchen kannte Schäfer kaum, sie waren nur selten Gast bei den Treffen. Jetzt kommen sie gar nicht mehr.
    Auch Berichte über sexuelle Übergriffe auf Jungen werden nun bekannter. Ein Vater begegnet Paul Schäfer, als dieser mit einem kleinen Jungen an der Hand aus dem Wald kommt, der Junge wirkt verstört und hat einen hochroten Kopf.
    Eine Mutter hört, wie ihre Jungen hinter geschlossenen Türen aufgeregt kichern. Es klingt etwas hysterisch. Sie schaut nach, die Kinder sind still. Sie geht, die Jungen kichern wieder. Sie macht auf der Stelle kehrt, geht ins Zimmer zurück und bleibt so lange, bis ihre Söhne schließlich sagen: »Och, Mama, wir haben doch nur so gemacht, wie Onkel Paul mit uns macht.«
    Sie fällt aus allen Wolken.
    In der Gronauer Gruppe spricht sich auch herum, dass Schäfer in die Duschräume der Mädchen gekommen war, mit einer Reitpeitsche, und die Mädchen auf den nackten Rücken gepeitscht hat. Und Lillis Vater fragt laut: »Was macht der Schäfer da immer in den Räumen der Jungen?« Doch alle zögern sehr lange. »Man kann doch diesen heiligen Mann nicht anzeigen«, ist ihre Überzeugung.
    Außerdem gibt es keinerlei Studien zu Folgeschäden nach sexueller Gewalt. Viele Eltern glauben, dass die Kinder es einfach vergessen, wenn man nicht darüber spricht. So wie viele Ärzte noch glauben, dass Säuglinge keinen Schmerz empfinden.
    Noch ringen die Familien mit sich. Sie rufen im Jugendheim an, wollen Schäfer sprechen. Schäfer sei nicht zu sprechen, heißt es, er sei in einer Versammlung, er würde zurückrufen. Sie warten bis nachts um zwei. Kein Anruf. Am nächsten Morgen fahren sie nach Heide. Keiner öffnet ihnen die Tür. Sie fahren nach Hause. Erst im nächsten Jahr gehen sie zur Polizei und zeigen Schäfer wegen sexuellen Missbrauchs an.
    Der Entschluss zweier Gronauer Familien, Schäfer anzuzeigen, führt zur Spaltung der Baptistengemeinde in Gronau. Die Spaltung ist so tief, dass man die Straßenseite wechselt, wenn einem jemand aus der anderen Gruppe entgegenkommt.
    In Heide ist nun auch Familie Wagner etabliert. Die älteste Tochter, Hannchen, ist ab Weihnachten dabei. Nur die Mutter, Mina Wagner, lebt noch mit den beiden Jüngsten in Graz. Eines Tages bekommt Ida Ritz den Auftrag, nach Graz zu fahren und Mina Wagner zu holen. Warum, weiß sie nicht. Es ist ein Befehl. Mit dem Auftrag hat Ida kein Problem, die Fahrt macht ihr Spaß, sie ist gern unterwegs. Wieder ein Abenteuer: per Anhalter von Siegburg nach Graz und zurück.
    Ida trampt nach Graz und überbringt ihre Botschaft. Mina Wagner erschrickt und sagt: »Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Was hab ich denn gemacht?« Sie hat Angst. Aber wovor?
    Einige Tage später geht es zu zweit wieder nach Siegburg zurück. Dort fällt Ida auf, dass Mina Wagner »fürchterlich verheult« aussieht.

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