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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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schicken wir sie erst mal in den Kuhstall zum Arbeiten.«
    Und Alfred Schaak befindet, man müsse mal »Schinkenklopfen« mit ihr machen. Dafür hat er eine Leidenschaft entwickelt, von der auch Gudrun erzählt. Ida hat Angst. »Die schlagen richtig zu, auch in den Nierenbereich.« Schnell geht sie nach draußen, sucht Papier, um es sich als Polster unter die Kleidung zu stopfen.
    »Schinkenklopfen«, das kennen alle Frauen in dieser Sekte. Die meisten mussten sich schon mal über einen Stuhl legen und sich von Männern den Hintern »versohlen« lassen. Zur Strafe für irgendwas, denn irgendwas findet sich immer, wenn man mal wieder eine Frau anfassen will – was offiziell verboten ist. Aber Strafe muss sein – und so geht es ja auch. Wenn Zärtlichkeit nicht erlaubt ist, dann eben Sadismus.
    Am 23. September 1960 wird das neue »Jugendheim« eingeweiht. Es ist eine beeindruckende Leistung: Mit den eigenen Händen und mit Fachleuten aus den eigenen Reihen – Architekt, Wasserbauer, Bauunternehmer, Kaufmann, viele gelernte und ungelernte Handwerker – haben sie es geschafft, ein stattliches zweistöckiges Haus mit mehreren Flügeln, mit Nebenhaus, Park und Swimmingpool nach Schäfers Konzept zu errichten. Umliegende Firmen spendeten Baumaterial. Eine Sammelgenehmigung hatte man nicht, aber wenn Willi Georg Schwester Gertrude in Rotkreuz-Uniform dabeihat, fragt keiner nach. Die Firma Mannesmannröhren in Düsseldorf bemerkt den Betrug nach einer Weile – vermutlich weil ein achtsames Finanzamt die Spende nicht als steuermindernd anerkennt – und prozessiert gegen die Private Sociale Mission.
    Trotz aller Probleme ist das Gebäude nun fertig. Ein hoher Zaun umgibt das Anwesen; gesichert ist es bald mit Abhöranlagen draußen wie drinnen. Schon zu dieser Zeit nimmt Schäfer viele Gespräche und Beichten heimlich auf. Das Tonbandgerät dafürhaben seine Anhänger selbst gespendet. In einem undatierten Bettelbrief schrieb Schäfer:
    Liebe Geschwister!
    Heute kommen wir mit einem kleinen Sonderanliegen. Euch ist bereits allen bekannt, dass wir ein Tonbandgerät für unsere Arbeit unbedingt benötigen. Woran wir dabei besonders denken, ist Folgendes: alles Erlebte festzuhalten, um es dann in den einzelnen Häusern wiederzugeben. Somit haben wir die Möglichkeit ein lebendiges Miterleben aller Segnungen mitzuteilen … Wir wenden uns […] an einige mit uns verbundene Geschwister mit der Bitte nach Überprüfung vor dem Herrn einen Betrag zu zeichnen. Der Gesamtpreis des Gerätes wird zwischen DM 500,– bis DM 600,– liegen.
    Die Geschwister unterschreiben die beigefügte Spendenerklärung und überweisen das Geld an Alfred Schaak.
    Nun ist alles bereit für die Einweihung des »Jugendheims Heide«. Ein festlicher Empfang mit Hausmusik, Reden, Speisen und Getränken ist geplant. Und die halbe Bundesregierung wird eingeladen.
    EINLADUNG
    und Festfolge zur Einweihung des neuen Hauses und seiner Anlagen
    am 23. Sept. 60/15 Uhr
    sendet Ihnen die Jugend des Jugendheimes Heide-Birk, Siegburg-Heide, Franzhäuschen.
    Mit frohem Grusse
    Für den Vorstand
    Hugo Baar
    Vorsitzender
    Für die Heimleitung
    Hermann Schmidt
    Heimleiter
    Die Jugend selbst lädt ein; Baar und Schmidt unterzeichnen nur stellvertretend, Schäfer kommt gar nicht vor. Ungewöhnlich für diese autoritätsgläubige Zeit.
    Dieses Jugendheim in Siegburg liegt nur fünfzehn Kilometer von Bonn entfernt, dem damaligen Regierungssitz. Sie sind Nachbarn. Es ist ein Katzensprung.
    So wird auch Bundespräsident Heinrich Lübke eingeladen. Doch der Anlass ist zu klein für den Präsidenten der kleinen Leute. Der Bundesminister für Familien- und Jugendfragen schickt immerhin seine Staatssekretärin Frau Dr. Friesecke. In ihrer Rede zur Eröffnung vertritt sie die Ansicht, dass »dieses Haus als Modell für ähnliche Einrichtungen in der Bundesrepublik dienen könne«. Der Landrat Etzenbacher setzt noch eins drauf: Ihm könne es »den Glauben an die Menschheit wiedergeben«.
    Außer vielen Politikern der dritten und vierten Garde erscheint auch Arturo Maschke, der damalige chilenische Botschafter. Wie der Kontakt entstand, ist nicht bekannt. Vermutlich durch Albert Schreiber, der mit Bauarbeiten an der Botschaft beschäftigt ist. Maschke ist ein gern gesehener Besucher, und bald hat auch er einen Spitznamen weg: »Matto« sagen die Jungs, wenn sie von ihm reden. Dass Matto schwul ist, bleibt kein Geheimnis. Da Auswanderungspläne bestehen, spricht man auch über Chile,

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