Unser Leben mit George
mit Georges bisherigen Daten.
»Moment mal... Das letzte Mal, als ich ihn wog, hatte er 6 Kilo. Und Sie
machten sich Sorgen, er könne magersüchtig sein.« Er räusperte sich. »Na ja,
diese Sorge sind Sie los. Klinisch gesehen hat George jetzt die Fettsucht.«
»Wie ist denn das möglich?«
»Nun, was denken Sie? Hunde setzen aus
gleichem Grund Fett an wie Menschen. Zu viel Fressen und zu wenig Bewegung. Hat
George in letzter Zeit zu viel zu fressen bekommen? Vielleicht zwischen den
Mahlzeiten? Haben Sie ihm außer seinem Alleinfutter noch etwas gegeben?«
»Na ja, aber höchstens gelegentlich«,
gab ich zu.
»Also, das muss aufhören. Ich werde
George auf Diät setzen. Ab sofort.«
Armer George. Er tat mir leid. Er hielt
nicht viel von seinem Abendessen in Form des teuren Diätfutters, das der
Tierarzt ihm verordnet hatte. Als ich seinen Napf mit diesem Zeug vor ihn
hinstellte, sah er mich an, als hätten mich alle guten Geister verlassen.
Widerwillig nahm er eines dieser braunen Krümel in den Mund, kaute eine Weile
misstrauisch darauf herum und spuckte es wieder aus. Und wie ein verwöhnter
Prinz, der er ja auch war, warf er sich schmollend auf den Boden.
Als Alex an diesem Abend kam, um uns zu
einem chinesischen Take-away einzuladen, entschloss ich mich, George nicht
mitzunehmen: Die Versuchung in Gestalt von gebratenen Rindfleischstückchen und
süß-sauren Scampi wäre einfach zu viel für ihn.
Unter seinem protestierenden Gebell
gingen wir ohne ihn, und als wir uns auf dem Gartenweg umsahen, stand er auf
der Sofalehne, die Nase ans Fenster gedrückt und mit einem Gesicht, als wollten
wir ihn für immer verlassen.
»Ich wette, er sitzt immer noch dort«,
sagte Joshua, als wir satt bis oben hin und mit schlechtem Gewissen zwei
Stunden später nach Hause kamen. Aber als wir aufs Haus zugingen, war Georges
Platz auf der Sofalehne leer.
»George? George!«, riefen wir. Immer
noch war kein begrüßendes Trappeln auf dem Holzfußboden zu hören, lediglich ein
schwaches, aber wütendes Bellen aus dem Garten.
»Vielleicht schmollt er noch immer«,
sagte ich. »Ich war wohl wirklich zu streng mit ihm. Was hätten ein paar Happen
Pekingente denn schon geschadet?«
»Mum!«
Wir warteten, dass George hereinkommen
und uns begrüßen würde. Er kam nicht. Und als Joshua vom Küchenfenster aus in
den Garten sah, konnte er ihn nirgendwo sehen.
»Ich glaube, ihm muss etwas passiert
sein, Mum. Ich gehe ihn suchen!«
»Was soll ihm denn passiert sein?«,
rief ich hinter ihm her.
Als Antwort kam ein verzweifelter
Schrei. »Mum! Schnell, komm her!« Ich flog nach unten. Eine zerpflückte
Schachtel Kleenex lag mitten im Flur, umgeben von zerrissenen
Papiertaschentüchern. Und der Übeltäter stand daneben an der Tür. Oder
vielmehr, sein Hinterteil stand dort. Seine vordere Hälfte war draußen im
Garten. George war in der Katzentür stecken geblieben.
»O George! Wie ist denn das passiert?«
Als wir uns neben sein fettes kleines
Hinterteil knieten, fing sein Schwanz wie verrückt an zu wedeln. Draußen im
Garten bellte sein Vorderteil weiter.
Joshua und ich fielen auf die Knie. »Er
muss zu viele Papiertaschentücher gefressen haben«, sagte ich. »Er hatte bestimmt
Hunger. Das liegt nur an diesem Diätfutter. Sein Bauch ist ganz geschwollen.«
»Mum!«, sagte Joshua. »Gib’s doch zu — George
ist einfach zu fett geworden!« Zusammen versuchten wir, George durch die 18 cm
breite Katzentür zu schieben, aber ohne Erfolg, und unser Versuch, ihn ins Haus
zurückzuziehen, erwies sich als genauso hoffnungslos. George saß bombenfest,
wie ein dicker, runder Pflock, der mit Gewalt in ein viel zu kleines,
viereckiges Loch geschlagen worden war. Und als ob das nicht schon schlimm
genug wäre, hatten sich seine Haare auch noch in den Scharnieren der Klappe
verfangen. »Hol mal eine Schere, Mum«, sagte Joshua mit der Autorität eines
Notarztes bei einem Eisenbahnunglück. »Wir müssen ihn herausschneiden.«
Nachdem wir eine halbe Stunde lang mit
meiner Nagelschere an seinen Haaren herumgeschnippelt hatten, konnten wir
George endlich durch die Katzenklappe nach draußen schieben. Er sah aus, als
hätte ihm ein Punkerfriseur mit verbundenen Augen die Haare geschnitten: an
manchen Stellen war er praktisch kahl, an anderen hatte er Spikes, an anderen
Stellen, wo das Fell ungleichmäßig abgeschnitten war, sah es aus wie
Drahtwolle. Als er wieder im Haus war — diesmal hatten wir ihn durch die
Terrassentür
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