Unser sechzehntes Jahr (German Edition)
vertrauen würde. Papa hat ja auch ne komische Art, mir zu zeigen, was " das Beste " für mich ist, aber Mama ist da noch ein Zacken schärfer. Immer vom Schlimmsten ausgehen. Und immer ängstlich sein.
Das Geile ist aber, dass sie es mir am Ende tatsächlich erlaubt hat. Wir haben lange geredet und ich hab mich echt richtig ins Zeug gelegt. Von wegen Lernen und so und dass ich mich nach der Schule immer sofort um die Hausaufgaben kümmern werde. Na ja, bis sie dann irgendwann eingesehen hat, dass sie mir vertrauen kann.
Das mit dem Gesangsunterricht haben wir auch schon geklärt. Ich werde zweimal wöchentlich bei einer Sylvia Unterricht nehmen. Ich bin so aufgeregt. Endlich ist alles offiziell!!! Den Jungs aus der Band habe ich es vorhin bei der Probe gesagt. Sie haben sich tierisch gefreut. Jetzt geht es erst so richtig los. Ich sah heute übrigens affengeil aus. Kerstin hatte mir ihre schwarze Bluse geliehen und ich hab sie direkt nach der Schule, bevor ich zur Probe bin, angezogen. Theo hat sie auch gefallen. Das hab ich gleich gemerkt. Schade nur, dass wir heute nicht eine Minute alleine waren. Die anderen aus der Band wissen noch immer nichts von uns. Und das ist auch gut so. Am Ende denken sie noch, wir können die Band nicht von Privatem unterscheiden. Das dürfen wir nicht riskieren.
Trotzdem: Dieser Typ ist der absolute Traum! Ich kann echt nicht in Worte fassen, was für Hammeraugen er hat. Wenn er mich anschaut, ist alles zu spät. Ich fließe dahin und vergesse alles um mich herum. Echt alles!!! Beim Tschüßsagen hat er mir heute ins Ohr geflüstert, dass ich klasse aussehe. KLASSE!! Genau diese Worte hat er verwendet. Ich bin mir ganz sicher, dass er für mich dasselbe empfindet wie ich für ihn. Unser Kuss ist allerdings schon fast eine Woche her. Warum müssen die anderen Kerle auch ständig dabei sein? Andy und Paul sind ja immer relativ schnell nach der Probe weg, aber Gerd macht immer noch so lange an der Technik rum und quatscht dabei sooo viel und sooo lange, dass Theo sich dann meist auch irgendwann verabschiedet. Und ich trau mich dann nicht, zur selben Zeit abzuhauen. Würde ja auffallen und Gerd würde merken, dass wir was miteinander haben. Andererseits: wäre das wirklich so schlimm? Und " haben " wir denn wirklich was miteinander? Na ja. Theo hat schon Recht, wenn er sagt, dass die Jungs erstmal nichts von uns mitkriegen müssen. Vielleicht können wir uns bald mal außerhalb der Proben treffen. Irgendwo. Heimlich. Ach man… ich bin sooo verliebt! Theeeeeoooo!
Fiona
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Elina Philipp ist das, was man eine Überlebenskünstlerin nennt. Mit nur 25 Jahren verlor sie ihren Mann und ihren vierjährigen Sohn bei einem Autounfall, den sie als einzige überlebte. Sie trauerte, machte Therapien, nahm an Selbsthilfegruppen teil und fand ihre Erfüllung, ihren Frieden, letztendlich in einer Hundezucht, die sie ganz alleine auf die Beine stellte und bis heute führt. Sie hat sich zurück ins Leben gekämpft, das ihr lange sinnlos schien, und durch neue Perspektiven gelernt, die Vergangenheit zu bewältigen.
Ich habe sie stets für ihren Lebensmut, ihren Willen, nach vorne zu schauen, bewundert. Und dennoch verloren sich im Laufe der Jahre unsere Wege. Unsere letzte Begegnung ist zwölf Jahre her und ich bin seltsam nervös, als ich auf ihrem Sofa darauf warte, dass sie mit Tee aus der Küche zurückkommt.
"Du siehst gut aus", sagt sie, als sie mit einem Tablett im Arm das Wohnzimmer betritt.
Ich lächle. "Na ja, das Alter geht auch an mir nicht spurlos vorbei."
Sie füllt meine Tasse mit dampfender Hagebutte. "Wir sollten dankbar dafür sein, überhaupt älter werden zu dürfen."
Ich nicke. "Das bin ich auch."
Sie setzt sich neben mich aufs Sofa. Das rotblonde Haar hat sie mit einem Tuch zurück gebunden. Ihr Gesicht ist im Gegensatz zu meinem von den Spuren des Älterwerdens nahezu vollständig verschont geblieben. Wie alt mag sie jetzt sein? 40? 41? Ich möchte nicht fragen.
"Wie geht es dir?", fragt sie.
"Ich bin mir nicht sicher", antworte ich ehrlich.
"Dein Anruf hat mich überrascht."
"Es tut mir leid, dass ich mich all die Jahre nicht gemeldet habe. Ich brauchte Abstand. Abstand von allem."
"Verstehe." Ihr Blick ist mitfühlend und zweifelnd zugleich. Sie kennt die Beweggründe meines Rückzugs, ohne dass wir je darüber gesprochen haben. Vielleicht missbilligt sie ihn gerade deshalb.
"Wir haben dich vermisst, als du von einen Tag auf den anderen
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