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Unser sechzehntes Jahr (German Edition)

Unser sechzehntes Jahr (German Edition)

Titel: Unser sechzehntes Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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vorher unter die Dusche." Er lacht. Ein Lachen, das sie nicht deuten kann.
    "Ich..." Sie sucht nach Worten. "Ich wollte eigentlich mit dir reden."
    "Mit mir reden?"
    "Ja. Es ist wichtig." Langsam festigt sich ihre Stimme. Ja, es ist wichtig. Sehr wichtig. Ihr ist mulmig bei dem Gedanken, mit ihm unter vier Augen zu reden. Immerhin ist er ein Fremder. Aber ihr Drang, endlich mehr zu erfahren, ist stärker.
    "Und worüber willst du mit mir reden?" Ein weiterer Schluck aus der Bierflasche. Ihr Anliegen scheint ihn wenig zu beeindrucken.
    Sie überlegt, was sie antworten könnte, ohne zu viel zu offenbaren. Andererseits: Was wäre zu viel? Und ist sie nicht deswegen hergekommen? Warum sollte sie zögern, wenn es keine Rolle spielt, was sie für einen Eindruck auf diesen Mann macht? Ein Mann, den es selbst scheinbar noch weniger interessiert, welchen Eindruck er auf andere macht.
    "Über Fiona. Fiona Klewe", antwortet sie schließlich.
    Sein Lächeln verschwindet. Die Typen neben ihm reden unberührt weiter. Über den Sound, die Bühnentechnik, das Publikum. Niemandem scheint die Bedeutung des ausgesprochenen Namens bewusst.
    Niemandem außer ihm.
    Er legt seine Hand um ihren Arm und zieht sie ein Stück zur Seite. Ihr Herz schlägt bis zum Hals. Sein Atem riecht nach Schinken und schalem Bier.
    Neben einem Lautsprecher bleiben sie stehen.
    "Wer bist du?", fragt er gereizt. Seine Stimme ist beinahe beängstigend tief.
    "Nathalie. Hab ich doch schon gesagt."
    "Du bist doch höchstens Sechzehn. Du kannst Fiona unmöglich gekannt haben."
    "Das habe ich auch nicht. Deshalb bin ich ja hier." Sie spürt ihre Hände feucht werden, während sie ihre Tasche fester um die Schultern zieht.
    "Kapier ich nicht." Er stellt seine Bierflasche auf den Lautsprecher, als könnte das seinen Kopf klarer machen.
    "Ich bin ihre Schwester", sagt Nathalie.
    "Ihre Schwester? Aber wie..."
    "Ein Jahr nach ihrem Tod geboren", entgegnet sie, bevor er seine Frage zu Ende führen kann.
    "Verstehe." Doch er macht nicht den Eindruck, irgendetwas zu verstehen. Ist sie wirklich richtig hier? Ist das tatsächlich der Mann, der in den letzten Monaten des Lebens ihrer Schwester ihr alles bestimmender Gedanke war?
    Es fällt ihr schwer, das Foto aus dem Tagebuch auf ihn zu projizieren.
    "Warum bist du hier?", fragt er.
    "Ich will endlich mehr wissen. Und ich dachte, du kannst mir dabei helfen. Immerhin warst du ihr sehr wichtig. Ihr wart zusammen in der Schulband und außerdem sehr eng befreundet."
    Sein Blick wandert durchs Café. Nur noch wenige Tische sind besetzt. Sie merkt ihm sein Unbehagen an. Hat er Angst, mit ihr gesehen zu werden? Hat er Angst zu reden? Und wenn ja, warum?
    "Woher weißt du das alles?", will er wissen.
    "Ich habe ihr Tagebuch gelesen."
    "Und darin stehen Dinge über mich?"
    "Natürlich. Überrascht dich das?" Es kommt ihr seltsam vor, sich mit einem fremden Mann zu unterhalten, der noch dazu doppelt so alt ist wie sie. Ihre Eltern würden durchdrehen, wenn sie davon wüssten.
    Er geht zu einem der Tische und setzt sich. Sie folgt ihm. Nervös. Aber noch neugieriger.
    "Wie hast du mich überhaupt gefunden?", fragt er.
    Er zieht eine Schachtel aus seiner Hosentasche und steckt sich eine Zigarette an.
    "Wozu gibt’s das Internet?", antwortet sie.
    Er nickt. "Ja, natürlich. Unsere Website."
    "Ihr solltet sie überarbeiten."
    "Was? Die Website?"
    "Ja, die Grafiken sind total verpixelt. Sieht wirklich nicht schön aus."
    "Verpixelt?"
    "Genau. Wirkt ziemlich unprofessionell. Also, wir haben gerade für unsere Schulwebsite ein wirklich tolles Design auf die Beine gestellt. Kommt richtig gut und macht gleich einen ganz anderen Eindruck."
    Sie findet ihren Kommentar durchaus angebracht, wenn auch vielleicht nicht in dieser Situation. Lediglich ein Versuch, die eigentliche Frage hinauszuzögern. Wo soll sie anfangen? Wie soll sie ihn dazu bringen, ihr von damals zu erzählen? Er macht nicht den Eindruck, von alleine reden zu wollen.
    "Du hast ihr viel bedeutet", sagt sie schließlich, selbst irritiert über ihre direkten Worte.
    "Wir waren Teenager." Er nimmt einen Zug von seiner Zigarette. "Das war eine ganz andere Zeit. Da bedeuten einem Dinge schnell mehr als sie sollten."
    Das soll sein Kommentar zu allem sein? Seine Worte zu einer Vergangenheit, die solch ein dramatisches Ende für ihre Schwester genommen hat?
    So schnell gibt sie sich nicht zufrieden.
    "Aber was war damals los?", hakt sie nach. "Ihr Tagebuch endet abrupt und ich hab

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