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Unser sechzehntes Jahr (German Edition)

Unser sechzehntes Jahr (German Edition)

Titel: Unser sechzehntes Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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bewegen, endlich mehr preiszugeben.
    "Ich hab immer schon gewusst, dass ich anders bin", sagt sie. "All die Mädchen aus meiner Schule interessieren sich nur für Jungs. Ich lese lieber, bin kreativ und denke viel nach."
    Er schiebt die Hände in die Jackentaschen. "Zum Beispiel über die Band eines Typen, den du nicht mal kennst."
    "Es geht mir ja auch nicht um dich. Ich will nur, dass du mir von damals erzählst. Nur ein bisschen. Ich glaube, dass mir das helfen kann. Dass ich dann besser verstehen kann, warum meine Eltern sich so verhalten. Warum sie nie über die Vergangenheit reden. Und vielleicht auch, warum ich so bin wie ich bin."
    "Warum du so bist wie du bist?", wiederholt er.
    "Na ja. Anders eben. Ich fühle mich nicht wohl zwischen all den Schwachköpfen in meiner Klasse. Alles Idioten. Keiner von denen nimmt irgendwas wirklich ernst. Und ich hab mich gefragt, was Fiona für ein Mensch war. War sie auch so wie ich? Hatte sie auch Probleme damit, sich in einer Welt voller oberflächlicher Menschen zurechtzufinden? Meine Mutter hat zugegeben, dass ich nur geboren wurde, weil sie gestorben ist." Sie überlegt kurz. "So krass hat sie es natürlich nicht formuliert, aber es läuft aufs selbe hinaus."
    Sein Blick wird ernster. Vielleicht versteht er sie besser, als er vorgibt.
    "Weißt du, was das für ein Gefühl ist?", fährt sie fort. "Wenn man nicht weiß, warum man ist wie man ist. Warum man denkt wie man denkt. Warum man immer das Gefühl hat, nicht dazu zu gehören."
    "Tut mir leid, Kleine. Aber wenn du glaubst, dass du anders bist, weil du in eine komische Situation hineingeboren bist, musst du mit deinen Eltern darüber reden. Oder mit einem Therapeuten für Teenager, die zu viele Fragen stellen."
    Sie hatte gehofft, dass er wenigstens heute seine Arroganz ablegen würde. "Ich brauche keinen Therapeuten, sondern endlich jemanden, der redet. Über Fiona. Über die Zeit in der Band. Über alles."
    Er zieht den Reißverschluss seiner Jacke bis an den Hals. Der Wind ist kühler geworden, doch Nathalie nimmt die Kälte nur unterschwellig wahr.
    "Und was sagen deine Eltern dazu, dass du dich vor irgendwelchen Hallen herumtreibst?", fragt er.
    "Sie wissen nicht, dass ich hier bin. Und wenn, dann würden sie es verhindern. Vor allem Mama. Sie denkt immer noch, dass ich ein Kleinkind bin und vor der ganzen Welt beschützt werden muss."
    "Vielleicht hat sie damit gar nicht mal so Unrecht." Er bewegt sich in Richtung Lieferwagen. Sie hat Angst, dass er einsteigt. Dass es diesmal eine Autotür ist, die sich vor ihrer Nase zuschlägt und zwischen Vergangenheit und Gegenwart schiebt . Und sie letztendlich wieder alleine mit ihren unbeantworteten Fragen ist.
    "Fiona hat was darüber geschrieben, dass das zwischen euch beiden heimlich war. Gab es einen Grund dafür?", beeilt sie sich zu fragen. Die erste Frage, die ihr einfällt.
    Er wendet den Blick vom Lieferwagen ab. Irgendwo im Hintergrund nimmt sie Stimmen wahr. Andere Bandkollegen? Crewmitglieder? Hauptsächlich Männer. Und hauptsächlich sehr viel älter als sie. Ihre Neugier verdrängt das Unbehagen.
    "Wir wollten es nur nicht an die große Glocke hängen. Das ist alles."
    "Nicht an die große Glocke hängen?"
    "Ich war Siebzehn. Sie nur ein paar Jahre jünger. Da hat man halt keine Lust auf blödes Gequatsche von den anderen Leuten aus der Band. Und überhaupt. So ernst war die Sache zwischen uns ja auch gar nicht. Wozu hätten wir also viel Wind darum machen sollen?"
    "Nicht so ernst? Also aus ihren Tagebucheinträgen liest sich das aber anders."
    Er lehnt sich an die Tür des Wagens. "Keine Ahnung, was sie in ihr Tagebuch geschrieben hat. Klar, ich mochte sie. Sie war süß."
    " Süß " , wiederholt sie.
    "Na ja, süß eben. Wie soll ich es dir anders erklären? Es ist eine Ewigkeit her."
    "Ich möchte einfach mehr wissen. Über euch. Eure Zeit. Es müssen ihre letzten Wochen gewesen sein."
    Ihre letzten Wochen. Erst nachdem sie die Worte ausgesprochen hat, wird ihr bewusst, was sie bedeuten. Was es bedeutet, mit ihm darüber zu reden.
    "Hör mal, Kleine. Das mit deiner Schwester tut mir leid. Wir hatten eine schöne Zeit, ja. Aber wir hatten halt verschiedene Definitionen von miteinander rumhängen. Wenn sie mit Fünfzehn schon an die große Liebe denkt, bitte. Aber ich war mit Siebzehn noch nicht so weit. Was kann ich dafür, wenn sie mich auf ein Denkmal stellt?"
    "Wie es aussieht, hat nicht nur sie dich auf ein Denkmal gestellt. Sie schrieb, dass du

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