Unser Sommer in Georgia
auf sich zukommen. Als die Jugendlichen Riley bemerkten, blieben sie ebenfalls stehen.
Brayden trat vor. »Du sucht doch nicht etwa nach mir, oder?«
»Nein, nein. Ich brauchte bloß ein bisschen frische Luft ...«
»Wir gehen zum Steg, dann stören wir euch nicht«, erklärte Brayden.
»Nein, tut mir leid, mein Sohn, heute Abend nicht. Oma hat Geburtstag, und es sind viele Leute da, die dich sehen wollen.«
»Das darf doch nicht wahr sein!« Er stöhnte.
Ein Junge legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir erzählen dir morgen alles.«
Ein blondes Mädchen grub die Zehen in den Sand und legte Brayden die Hand auf den Arm. »Morgen Mittag auf dem Pearson's Pier?«
Brayden nickte ihr zu. Dann stampfte er zum Haus zurück, so gut man eben im Sand stampfen kann. Riley folgte ihm. Ihre plötzliche Angst hatte ihre Sorgen in ein anderes Licht getaucht ... Den Buchladen abgeben zu müssen war gar nichts, wenn sie sich vorstellte, den einzigen Sohn zu verlieren.
So wie die Rutledges ihren einzigen Sohn verloren hatten.
Sie betraten das Haus durch die Hintertür. Das Mikrofon quäkte laut, als Maisy dagegenklopfte.
»Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«
Es wurde still im Raum bis auf ein paar leise murmelnde Stimmen am Rand.
»Es ist Zeit für unsere Tombola.«
Applaus brandete auf, und dann zog Maisy einen nach dem anderen die Namenszettel aus einer großen Schüssel. Sie gab die Gewinne aus: signierte Bücher, Gutscheine für Maniküren und andere Dienstleistungen der kleinen Betriebe in der Stadt sowie ein Kunstwerk aus Treibholz. Dann stieß sie einen Pfiff aus und verkündete: »Und jetzt zum großen Preis des Abends: ein Wochenende in Charleston.«
Heftiger Applaus folgte ihrer Ankündigung. Adalee kam angerannt und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Maisy nickte. »Meine Schwester wird den letzten Namen ziehen«, sagte sie ins Mikrofon.
Riley lehnte hinter Adalee an der Ladentheke, und nur sie sah, wie Adalee einen Zettel aus der Gesäßtasche zog, so tat, als würde sie ihn aus der Schüssel fischen, und ihn dann Maisy überreichte. »Mrs Harper!«, rief Maisy ins Mikrofon.
Ein Schweigen entstand, während alle darauf warteten, dass die Gewinnerin nach vorn kam. Riley wiederholte den Namen noch einmal. Ganz hinten im Raum ertönte ein Schrei. »Mama, das bist du!«
Alle wandten die Köpfe Mrs Harper zu, die mit der Hand vor dem Mund in der hintersten Ecke stand. »Ich habe die Reise gewonnen?«, fragte sie ungläubig.
Maisy bat die alte Dame mit einer Handbewegung, nach vorn zu kommen, und las die Reisebeschreibung vor. »Sie beinhaltet zwei Übernachtungen im Vendue Inn, eine Führung durch das Aquarium und die Seeschildkröten-Klinik, ein Dinner im High Cotton und ...«
Mrs Harper erreichte Maisy und sagte ihr etwas ins Ohr. Maisy lächelte ihr zu und nahm ihre Hand. »Das Wochenende ist für zwei Personen.«
Nun erschien die Tochter der alten Dame an ihrer Seite. »Mama, natürlich kannst du das annehmen. Ich fahre mit. Wir machen die Reise zusammen.«
Mit dicken Tränen und zitternden Händen nahm die alte Frau ihre Tochter am Arm. »Seit Franks Tod bin ich nirgendwo mehr gewesen. Ich glaub's einfach nicht ...«
Maisy wandte sich von Mutter und Tochter ab und sprach wieder ins Mikrofon. Vor Rührung war ihre Stimme brüchig. »Heute feiern wir nicht nur das Driftwood Cottage und seine zweihundertjährige Geschichte, sondern auch meine Mutter und unsere ganze Familie. Mama, würdest du bitte herkommen, damit wir für dich singen können?«
»Nein ... oh nein!«, rief ihre Mutter, die neben der kleinen Bühne im Rollstuhl saß. Aber Kitsys Lächeln verriet, wie sehr sie sich freute, als die Menge nun Happy Birthday to You anstimmte.
Riley trat vor, entschlossen, den restlichen Abend zu genießen. Wenn sie sich richtig auf die vergnügte Stimmung, die Unterhaltungen und die Musik einließ, konnte sie das Wissen um den bevorstehenden Verlust vielleicht bis morgen verdrängen.
Das Geburtstagslied wurde zweimal für ihre Mutter und einmal für das Haus gesungen, und dann griff Kitsy Sheffield zum Mikrofon. Wie geplant kam sie ohne Hilfe auf die Beine.
In ihrem über viele Generationen hinweg kultivierten Südstaatenakzent sagte sie: »Ihr Lieben, ach, das war aber schön! Ich danke euch, dass ihr an meiner Familie und mir und an unserer kleinen Buchhandlung so großen Anteil nehmt.«
Mit kräftiger Stimme, aus der Riley keine Spur von Krankheit heraushören konnte, bedankte ihre Mutter sich
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