Unser Sommer in Georgia
Parkplatz.
Maisy lehnte sich gegen einen Laternenpfahl. Ihr wurde bewusst, dass die Wahrheit wichtiger war als die vermeintliche Bequemlichkeit des Verschweigens. Keine Illusionen mehr. Das Traumbild von Mack Logan und vom perfekten Leben hatte sich in Luft aufgelöst. Es war Zeit für die Wirklichkeit. Und für Aufrichtigkeit.
Das Driftwood Cottage war von innen erleuchtet, durch jedes Fenster waren Aktivitäten zu sehen. Der Weg zum Eingang war mit Laternen gesäumt, in denen Kerzen flackerten. Auf einer Seite hatte man ein weißes Zelt errichtet. Der Partyservice hatte es unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Im Zelt waren Tische und eine Bar aufgebaut worden, damit es drinnen im Haus nicht ganz so voll wurde. Zwei Mädchen von der Highschool standen an der Tür, verteilten Faltblätter und begrüßten frühe Gäste. Maisy parkte, betrat das Haus durch den Hintereingang und stürzte sich sofort in die Arbeit.
Die ersten Gäste hatten sich schon im Laden verteilt, blätterten in Büchern und saßen gemütlich in den Sesseln mit den neuen Bezügen. Die Leute vom Partyservice stellten Häppchen auf die mit grobem Leinen bedeckten Tische. Maisy überprüfte die Musik- und die Lautsprecheranlage und den Empfangstisch am Eingang, während Ethel und Anne ein wenig ziellos umherliefen.
Die Tür zur Treppe öffnete sich, und Riley und Brayden kamen in den Buchladen. Maisy erstarrte. Das Haar fiel Riley in weichen Wellen über die bloßen Schultern, und ein kornblumenblaues Sommerkleid mit einer hohen Empire-Taille umspielte ihren Körper. Um den Hals trug sie eine lange, mehrreihige Perlenkette.
Verblüfft schaute Maisy ihr nach. Das also war ihre Schwester. Die Schwester, die sich hinter Büchern und einem Sohn versteckt hatte. Die Schwester, die ihre beste Freundin gewesen war und beim Wettrennen immer gewonnen hatte. Die ihr zugehört hatte, wenn sie nachts weinend aufgewacht war, die sie in den Armen gehalten hatte, wenn sie Albträume gehabt und Mama so fest geschlafen hatte, dass sie nicht wach wurde.
Riley drehte sich zu Maisy um und lächelte. Was zwischen ihnen gestanden hatte - Zorn oder Eifersucht oder was auch immer -, schien keine Bedeutung mehr zu haben. Maisy war nicht mehr böse auf die Schwester, die sich ein Leben über einem Buchladen aufgebaut hatte, sondern auf sich selbst. Diese Erkenntnis rief Ekel und Kummer bei ihr hervor. Maisy hasste sich für das, was sie getan hatte. Ihren Hass auf Riley hingegen hatte sie sich, das erkannte sie jetzt, bloß eingebildet.
Riley hatte nicht auf dem Dielenboden eines leeren Hauses mit Tucker geschlafen. Riley hatte ihr nicht Mack abspenstig gemacht. Riley war nicht vor der Familie davongelaufen und hatte sich vor ihren Übeltaten versteckt. Maisy ließ sich in einen Sessel fallen.
Sie spürte eine Hand auf der Schulter und schaute in Macks von Erschöpfung gezeichnetes Gesicht hinauf. Zum ersten Mal sah er älter aus als der angehende Student, den sie all die Jahre geliebt hatte. Oder vielleicht sah sie ihn auch endlich so, wie er wirklich war, nicht mehr so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Maisy stand auf und nahm ihn in die Arme. »Wie geht's deinem Vater?«
»Nicht gut, Maisy. Gar nicht gut. Sein Blutbild ist schlecht ... Es ist kompliziert. Aber morgen früh wird er nach Hause geflogen. Er muss sich erst mal stabilisieren.« Mack ließ sich neben ihr in einen Sessel fallen. Auch Maisy setzte sich wieder und schaute ihn an, als er weitersprach. »Tut mir leid, dass ich gestern Abend so plötzlich verschwunden bin.«
»Ist schon gut.« Maisy legte ihm die Hand aufs Knie. »Doch, wirklich. Ich verstehe das.«
»Ich muss dir etwas sagen ...«
Sie nickte.
»Ich hätte nicht ...« Mack nahm Maisys Hand, verflocht seine Finger mit ihren. »In den Tagen hier habe ich die Realität vergessen.«
Maisy drückte seine Hand. »Ich weiß ... Das passiert einem hier leicht.« Sie bemühte sich, eine Leichtigkeit in ihre Stimme zu legen, die sie in ihrem Herzen jedoch nicht finden konnte. Sie empfand ihr Lächeln als gekünstelt, und so erschien es Mack vermutlich auch.
»Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich hätte dich nicht in meine Verwirrung hineinziehen dürfen.«
»Du darfst mich jederzeit in deine Verwirrung reinziehen«, entgegnete Maisy. Sie spürte, wie der Klumpen in ihrer Kehle schmolz.
»Ach, Maisy, du bist ein Schatz.«
»Mack, jetzt geh und kümmere dich um deinen Vater!«
»Ich habe vergessen, euch zu sagen« - er deutete
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