Unser Sommer in Georgia
Mutter!«
»Ja, das hast du mir heute schon mal gesagt«, erwiderte Riley. »Außerdem will ich nicht, dass Brayden dich rauchen sieht.«
Die Fliegengittertür öffnete sich, und Brayden erschien mit einem breiten Grinsen. »Zu spät. Hab schon gesehen, dass Tante Adalee raucht. Du weißt ja, dass du davon Lungenkrebs kriegst, oder?«
»Und wer hat diesem Kind beigebracht, schon mit zwölf Jahren so ein Klugschwätzer zu sein?« Adalee schlug die Beine übereinander.
»Bringen wir's hinter uns!« Riley deutete auf die Mappe, die ihre Mutter Maisy gegeben hatte. »Da ist alles drin, was du brauchst.«
»Danke!« Maisy lächelte ihre Schwester an und plante insgeheim schon ihre nächsten Schritte: ein heißes Bad, einen Whiskey auf Eis und zehn Stunden schlafen.
Riley fuhr fort: »Adalee, hier ist unser letzter Rundbrief und Mamas Entwurf für den nächsten. Bitte, wende dich an mich, wenn du Hilfe brauchst! Ich zeige dir die Vorlage im Computer.«
Adalee nickte, sagte aber kein Wort - ihre übliche Strategie. Meistens zog sie damit die Aufmerksamkeit auf sich und nötigte die anderen, ihr Worte abzuschmeicheln. Schließlich wollte niemand, dass sie ärgerlich vor sich hin brütete. Aber Riley schwor sich, sich diesmal nicht über das Verhalten ihrer kleinen Schwester aufzuregen.
Sie sprach eine Viertelstunde darüber, was sie in den kommenden Tagen bewältigen mussten.
Dann stand Maisy auf. »Hört mal, ich halte diesen Schwachsinn keine Minute mehr aus, wenn ich nicht sofort was zu mir nehme.«
»Im Kühlschrank ist noch ein Stück Brathähnchen ... von gestern.« Riley schloss die Mappe. »Ich bin jetzt sowieso fertig.«
»Nein, nein, ich meinte etwas zu trinken. Kommt, Mädels, wir gehen zu Bud und trinken ein schönes, kaltes, frisch gezapftes Bier.« Maisy rieb sich die Hände.
Riley winkte ab. »Geht nur! Ich habe Brayden hier, und gleich muss ich zurück und mich um den Laden kümmern.«
Maisy zuckte die Achseln. »Auch gut. Dann ziehen wir eben allein los, Adalee.«
Adalee sprang vom Sofa und schlüpfte wieder in ihre Flip-Flops. »Tolle Idee! Ich rufe nur gerade noch Chad an und sag ihm, wo ich bin. Vielleicht kann er uns später da treffen.«
Riley wandte sich zu Maisy um, die sich gerade ganz auf ihr Handy konzentrierte. Zum ersten Mal hatte Riley die Möglichkeit, ihre Schwester wirklich zu betrachten. Maisy besaß immer noch eine Schönheit, die schwer zu beschreiben war. Ihre Züge hatten etwas Verwirrendes, das Männer und Frauen und selbst Kinder veranlasste, sie anzuschauen. Der Goldbronzeton ihres Haars stammte aus einem eher abseitigen Winkel des Sheffieldschen Genpools: Ihre Großtante Martha-Rose hatte diese Haarfarbe gehabt. Maisys breites Lächeln stand im Kontrast zu ihrem Näschen und den runden, manchmal grünen, manchmal auch blauen Augen.
Maisy blickte auf. »Was starrt ihr mich denn so an? Ich lese nur gerade meine E-Mails. Ich hab auch noch ein eigenes Leben.«
»Ja«, fauchte Adalee, »aber leider wird sich das in der nächsten Woche oder noch länger hier bei uns abspielen.«
Riley überhörte den Wortwechsel der Schwestern. »Maisy, die Vormittagsschicht fängt um neun an. Anne kommt und öffnet das Café, aber du bist für den Buchladen zuständig. Ich werde morgen Vormittag hier bei Mama sein.«
»Kein Problem.« Maisy stand auf und streckte die Hand nach Adalee aus. Sie hakten sich ein, gingen ins Haus, und die Fliegengittertür schlug hinter ihnen zu. Riley blieb allein auf der Veranda stehen. Das Gewicht von ungesagten Worten, Geheimnissen und Bedauern lastete auf ihren Schultern. Würden ihre Schwestern sich anders verhalten, wenn sie von Mamas Krebs wüssten? Spielte es überhaupt eine Rolle?
Riley ging in den Garten hinaus und rief nach Brayden. Ihr Sohn kam angerannt, über den Rasen, der dringend gemäht werden musste, vorbei an den dicken Stämmen der alten Lebenseichen und einer Wasserpfütze. Im Vorbeilaufen schubste er die Reifenschaukel hoch in die Luft. Schließlich stand er vor Riley.
Hinter ihm fielen die Sonnenstrahlen auf den Boden, sodass ein bernsteingoldener Schimmer sein Haar und seine gesamte Gestalt in Licht tauchte. Riley wurde warm ums Herz. Sie nahm ihren Sohn in die Arme, spürte seine Rippen unter ihren Händen, seinen Herzschlag an ihrer Brust. Gelegentlich beneidete sie andere um ihre Freiheit, doch sobald ihr Sohn sich an ihre Brust schmiegte, liebte Riley ihn und ihr Leben und eine überwältigende Dankbarkeit erfüllte
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