Unser Sommer in Georgia
irgendwas, dann klingelt das blöde Telefon.«
»Jetzt ist grade furchtbar viel zu tun, Brayden. Ich verspreche dir, dass es wieder besser wird.«
Eine Stimme, vertraut und gleichzeitig fremd, meldete sich. »Könnte ich bitte mit Ms Sheffield sprechen?«
»Am Apparat«, sagte Riley und bedeutete Brayden mit einer Handbewegung, kurz zu warten. Er ließ sich auf die unterste Stufe der geschwungenen Treppe sinken und stützte die Ellbogen auf die Knie.
»Kitsy Sheffield?«
»Nein, hier ist Riley.« Sie schnitt Brayden ein Gesicht.
»Ach, hallo, Riley. Hier spricht Sheppard Logan. Ich weiß, dass diese Frage etwas spät kommt, aber Mack und ich möchten morgen nach Palmetto Beach fahren, und wir können einfach kein Quartier finden. Ich weiß nicht, warum wir damit nicht gerechnet haben - aber früher hätten wir keine Probleme gehabt, in der Stadt ein Zimmer zu finden. So ändern sich die Zeiten, was?«
Riley versuchte zu lachen, brachte aber nur ein Husten zustande. »Ja, im Sommer ist das hier jetzt der helle Wahnsinn. Aber es gibt ein neues Hotel. Haben Sie es schon beim Seaside Inn probiert?«
»Nein. Könnten Sie mir die Nummer geben?«
Riley ratterte die Telefonnummer herunter. »Ich freue mich so, dass Sie kommen. Bis zur großen Abschlussparty gibt es jeden Tag Veranstaltungen. Ich lade Sie herzlich ein, diese Festwoche zu nutzen.« Riley wiederholte die gleichen Worte, die sie mindestens schon hundert Kunden am Telefon gesagt hatte, doch dieses Mal bebte ihre Stimme.
»Bleiben Sie dran! Ich hol mir einen Zettel.«
Stille in der Leitung. Doch plötzlich hörte Riley Mack Logans Stimme. »Hier, Dad!«, rief er seinem Vater zu. Sie schloss die Augen, versuchte, sich Mack mit zweiunddreißig Jahren vorzustellen, im Haus seiner Eltern. Es gelang ihr nicht. Sie sah nur das Bild des sonnengebräunten, hochgewachsenen Jungen vor sich, der Sommer für Sommer in Palmetto Beach verbracht hatte.
Sheppard Logan kam wieder an den Apparat. »Noch einmal, bitte! Jetzt bin ich bereit.«
Riley sagte die Nummer ein zweites Mal auf. Dann machte sie eine Pause, bevor sie unter Aufbietung ihrer ganzen Selbstbeherrschung sagte: »Bitte richten Sie Mrs Logan und ihren Söhnen meine Grüße aus!«
»Das werde ich tun. Und ich freue mich so darauf, Ihre Familie wiederzusehen.«
»Danke, Mr Logan.«
Als der Wählton wieder durch den Raum summte, hielt Riley den Hörer immer noch in der Hand.
»Mummy ... Hallo! Er hat aufgelegt.« Brayden war offensichtlich irritiert.
Riley schaute zu ihrem Sohn hinüber, wie er dort auf der untersten Treppenstufe in ihrem Elternhaus saß und sie anstarrte, während sie weiter den Hörer festhielt. In gewisser Weise war Mack Logan, auch wenn er nicht Braydens Vater war, doch einer der Gründe, warum dieses Kind hier vor ihr saß. Endlich legte sie auf und umarmte ihren Sohn - zu fest, wie sie merkte.
»Hör auf, Mummy! Mann, bist du manchmal peinlich.«
»Ja, in den Augen der Massen von Menschen, die dich gerade beobachten, muss das wirklich demütigend für dich sein.«
»Ich gehe jetzt zu Oma.« Er rannte den Flur entlang.
Riley gestattete sich, noch einmal an den Moment zu denken, als sie Mack Logans Stimme gehört hatte, an die süße Verzauberung. Aber war das alles nicht bloß eine weitere Kindheitsfantasie? Als sie damals so gute Freunde gewesen waren, hatte Riley felsenfest an Seejungfrauen und Feen, an Märchen und Geheimnisse der Natur geglaubt. Sie hatte geglaubt, sie könnte mit Peter Pan fliegen, unter Wasser atmen und gehen, ohne den Boden zu berühren. Und sie hatte geglaubt, dass Mack Logan sie liebte.
Die Wirklichkeit hatte ihre ganz eigene Methode, Mädchenträume zu zerstören. Inzwischen träumte sie nur noch von ihrem Leben mit Brayden, ein Leben über einem Buchladen an der Küste. Riley stieg die gewundene Treppe hoch und wandte sich nach links. Der ganze Flur war mit Fotos der drei Schwestern gesäumt: zu Halloween als Prinzessinnen verkleidet; die ersten Schultage; am Weihnachtsmorgen, mit den gefüllten Strümpfen - Schnappschüsse, die niemals einfangen konnten, wie es wirklich in ihnen aussah, wer sie damals waren oder was aus ihnen werden würde. Vor einem Foto, auf dem Maisy quer über ihrem blassgelben Kleid eine Ballkönigin-Schärpe trug, blieb Riley stehen. Sie wischte den Staub unten auf dem Rahmen fort und öffnete dann die Tür zu ihrem Mädchenzimmer.
Bis auf ein Bett und eine Kommode war der Raum leer, er diente jetzt als Gästezimmer. Riley
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