Unser Sommer in Georgia
setzte sich auf das Bett und schloss die Augen. Sie ließ zu, dass ihre letzten Erinnerungen an Mack Logan vor ihrem inneren Auge wieder lebendig wurden.
Seit Mack und Riley sich mit sieben Jahren auf dem Pearson's Pier, dem Angelsteg, kennengelernt hatten, war er ihr bester Freund gewesen. Riley hatte ihm gezeigt, mit welchem Köder man Rotbarsch fing und wie man ein Wurfnetz auswarf. Eine bleibende Freundschaft entstand, oder jedenfalls glaubte Riley das. Damals war es ihr gelungen, Mack während des Schuljahres zu vergessen - bis dann am Wochenende vor dem Memorial Day der Volvo-Kombi der Logans in Palmetto Beach eintraf, mit den Fahrrädern hinten auf dem Wagen und einem großen Plastikbehälter, der wie eine lila Schildkröte mit eingezogenem Kopf aussah, oben auf dem Dach. Wenn Mack, sein Bruder Joe und ihre Eltern am Driftwood Cottage ausgestiegen waren, begann der Sommer.
Elf Jahre lang kamen sie.
Jener letzte Sommer begann mit Rekordtemperaturen. Die Hitze stieg in Wellen vom Asphalt auf, und die Urlauber rannten und hüpften kreischend über den Sand und benutzten Handtücher als Trittsteine. Große bunte Sonnenschirme waren über den Strand verstreut. Darunter saßen die Eltern und fächelten sich Luft zu, während die Kinder im flachen Wasser spielten, ohne sich um die achtundneunzig Prozent Luftfeuchtigkeit und die Temperaturen von fast vierzig Grad zu scheren. Die Deckenventilatoren im Beach Club surrten pausen- und wirkungslos.
Mack und Riley trafen sich wie immer auf dem Steg. Nach der Begrüßung, die nach der langen Trennung stets eher verlegen ausfiel, warfen sie ihre Angelschnüre in dem graublauen Wasser aus. Riley zog sich das T-Shirt aus, um im Badeanzug zu angeln, und drückte sich die Baseballkappe tiefer in die Stirn. Mack war still, er hatte seit seiner Ankunft noch nicht viel gesagt. Sie waren jetzt beide achtzehn und hatten die Highschool abgeschlossen - eine neue Welt tat sich vor ihnen auf.
Riley konnte sein Schweigen nicht mehr ertragen. Normalerweise dauerte es keine zehn Minuten, bis die natürlichen Rhythmen ihrer Sommerfreundschaft sich wieder einstellten. »Okay«, sagte Riley und hängte die Angel in eine Metallschlinge. »Du bist sauer auf mich. Was hab ich falsch gemacht?«
Mack schreckte zurück. »Nein ... nein. Warum sagst du so etwas?«
»Du bist total komisch.«
»Dass ich schweigsam bin, heißt doch noch nicht, dass ich komisch bin.«
Riley lehnte sich gegen das hölzerne Geländer des Steges. »Dann eben nicht komisch.« Sie machte eine Kopfbewegung zu ihm hin. »Jedenfalls bist du im letzten Jahr viel größer geworden.«
Mack lachte. »Pizza. Davon hab ich mich mehr oder weniger ernährt. Dass ich größer geworden bin, glaub ich aber nicht - bloß dicker.«
Riley merkte, wie die Kameradschaftlichkeit ihrer zehnjährigen Freundschaft allmählich wiederkehrte.
Er ließ den Blick über ihren Körper wandern, der schlanker war als im Sommer zuvor. Dann wandte er sich ab. »Ja, du hast dich auch verändert.«
»Kann sein.« Sie nahm ihre Angel wieder in die Hand und warf die Schnur ins Wasser.
»Du bist ... dünner geworden.«
»Nee, bloß fünf Zentimeter gewachsen.« Sie stupste Mack mit der Angelrute.
»Ach so, ja.« Er wurde rot.
Riley stieß ein leises, nervöses Lachen aus. Es war ja immerhin möglich, dass er in diesem Sommer beginnen würde, sie so zu lieben, wie sie ihn liebte. In den vergangenen Jahren hatte sie sich damit zufriedengegeben, seine beste Freundin zu bleiben, aber immer nur in der Hoffnung, dass ihm eines Tages die Augen aufgehen würden: Das Mädchen Riley Sheffield war zu einer jungen Frau herangewachsen. Vielleicht würde es in diesem Jahr endlich dazu kommen.
Die nächsten Tage waren die schönsten. Sie flirteten miteinander, strichen sich beim Angeln oder beim Köderbefestigen über die Fingerspitzen, schlangen beim Ringkampf im Pool Arme und Beine umeinander - fanden immer neue Gründe, sich zu berühren, auch wenn es von außen gesehen den Anschein hatte, als seien sie nur auf Rangeleien aus.
Mit der Erwartung, dass ihre Liebe endlich erwidert würde, schwebte Riley durch diese Tage. Ihre Mutter hatte recht: Es lohnte sich, auf manche Dinge zu warten. Sie war nicht die schönste von den Schwestern - nein, das war Maisy. Doch Maisy mit ihrer hohen Stimme und ihrer Unsportlichkeit schien Mack zum Glück eher zu nerven.
Mitten in der dritten Sommerwoche wartete Riley eines Abends auf der vorderen Veranda auf Mack. Sie wollten
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