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Unser Sommer in Georgia

Unser Sommer in Georgia

Titel: Unser Sommer in Georgia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Henry
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sie.
    »Jetzt schauen wir mal nach Oma, und dann essen wir Abendbrot.« Sie nahm Braydens Hand, drückte seine Finger, die länger und breiter geworden waren, ohne dass sie es bemerkt hatte.
    »Wo sind denn die Tanten geblieben?« Brayden ging neben Riley her, ließ ihre Hand los.
    »Die wollen sich die Neuigkeiten aus ihrem Leben erzählen. Sie haben sich lange nicht gesehen.«
    »Oma hat gesagt, dass Maisy ungezogen ist - dass sie Ärger kriegt, noch bevor die Woche um ist.«
    Riley schaute auf ihren Sohn hinunter. »Oma hat zu viel Schmerzmittel eingenommen. Sie sollte dir nicht solche abstrusen Sachen erzählen.«
    Brayden verdrehte die Augen und machte ein Gesicht, wie nur ein Zwölfjähriger es kann.
    In der Eingangshalle schaute Riley zu einem Ölgemälde auf, das sie und ihre beiden Schwestern zeigte: Drei, elf und dreizehn waren sie damals gewesen. Riley stand groß und linkisch hinter ihren Schwestern, während Maisy selbst in dem Alter schon verführerisch in die Kamera schaute. Die süße kleine Adalee hielt eine Löwenzahnblüte in der Hand, die der Künstler später in eine Margerite verwandelt hatte.
    Das war Mamas Methode, die Geschichte umzuschreiben - eine Löwenzahnblüte in eine taufrische weiße Margerite zu verwandeln. In ihrer Kindheit hatte ihr Vater abends sehr oft für die Air Force gearbeitet, sodass Riley sich kaum erinnern konnte, dass er einmal zu Hause gewesen wäre. Ihre Mutter hatte mit fortschreitendem Abend immer schleppender und undeutlicher gesprochen, und Maisy war an Sommerabenden mehr als einmal von der Polizei zu Hause abgeliefert worden. Doch trotz allem erinnerte ihre Mutter sich an ein Leben - oder jedenfalls wollte sie es ihren Töchtern in Erinnerung rufen -, das wie ein Märchen am Strand von Georgia klang. Falls Kitsy Sheffield jemals ein Buch über die Familiengeschichte schreiben sollte, würde es von Margeriten nur so wimmeln.
    Die Mädchen schienen in Rollen hineingeboren zu sein, die so klar umrissen waren wie die Jahreszeiten. Riley hatte ihre Rolle immer stumm hingenommen - sie sollte für ihre jüngeren Schwestern ein Vorbild sein, ein Fels in der Brandung. Schließlich war sie die Älteste: verantwortungsbewusst und mit ihrem großknochigen Körper und den kräftigen Muskeln eine gute Sportlerin. Dann kam Maisy als mittleres Kind: schön, zerbrechlich und geschmeidig. Adalee als Jüngste war verwöhnt und naiv - sie wusste selbst heute noch nicht, was in jenem Sommer, bevor Maisy weggezogen war, passiert war, was die Familienbande zerrissen hatte.
    Riley löste sich von dem Ölbild und von ihren Erinnerungen und zog ihr Handy aus der Gesäßtasche. Sie wollte Lodge anrufen, wie Mama ihr aufgetragen hatte.
    »Hallo«, sagte er nach dem ersten Klingeln. »Riley, was gibt's?«
    »Ich hasse es, wenn man die Telefonnummern sehen kann«, sagte sie. »Jetzt kann ich dir keine Telefonstreiche mehr spielen so wie früher.«
    »Okay, ich tue so, als wüsste ich nicht, wer du bist.«
    »Zu spät, du weißt es ja schon.«
    »Da hast du recht.« Er lachte. »Ich weiß wirklich, wer du bist.«
    Das entlockte Riley ein Lächeln. »Ich rufe bloß an, um mich für den Artikel zu bedanken. Er ist großartig. Habe ich dir schon gesagt, dass du wahnsinnig gut schreibst?«
    »Nein, aber sag es mir, wann immer du willst.«
    »Du schreibst wahnsinnig gut.«
    »Danke, Riley Sheffield.« Sie hörte scharrende Geräusche und dann wieder Lodges Stimme. »Sorry - ich hab das Telefon fallen lassen. Hör mal, wollen wir was essen gehen?«
    Riley schaute zu dem Porträt der Dreizehnjährigen hinauf, die Lodge einst gekannt hatte. »Ach, ich kann doch hier nicht weg. Meine Schwestern sind da, Mama ist ans Bett gefesselt, und ich habe Brayden ...«
    »Ich weiß, ich weiß. Du hast zu tun. Ich dachte bloß ... wir könnten doch einen Artikel nachschieben, sobald die Veranstaltungen angefangen haben.«
    »Oh, ja. Das wäre super. Genau darum wollte ich dich eigentlich bitten. Komm doch morgen im Laden vorbei!«
    »Mach ich.«
    Riley schob das Handy wieder in die Hosentasche und legte Brayden den Arm um die Schultern. »Wer war das?«, erkundigte er sich.
    Sie nahm den Stapel geöffneter Post vom Tisch und blätterte die Briefe durch. »Der Mann von der Zeitung - Mr Barton, mit dem du manchmal angeln gehst.«
    Brayden öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber da klingelte das Telefon im Flur. »Ich hasse Telefone«, knurrte der Junge. »Immer wenn ich denke, wir gehen jetzt los oder wir machen

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