Unser Sommer in Georgia
wandte sie sich Billy-Joe zu. »War ich wirklich so schlimm? Ich meine ... so unausstehlich, dass alle mich jetzt hassen?«
Er lächelte sie an. »Ich kenne niemanden, der dich hasst.«
»Candy?«
»Okay, früher vielleicht. Aber ich kann dir versichern, dass sie das inzwischen vergessen hat ... über den Kindern und dem Windelnwechseln und der Schule ...«
»Ja.« Maisy öffnete die Beifahrertür. »Bist du mir denn nicht böse?«
»Ach was, Maisy. Wir haben so schöne gemeinsame Erinnerungen. Und ob ich dir früher böse sein wollte? Na klar! Wenn eine Frau das Ego eines Mannes verletzt hat, will er natürlich böse auf sie sein. Aber weißt du, du bist ohne Zweifel eine Frau, der man überhaupt nicht lange böse sein kann.«
»Stimmt das?«
»Ja, ganz ehrlich. Aber jetzt raus aus meinem Auto!« Er grinste sein breites jungenhaftes Grinsen. Damals war es der Auslöser dafür gewesen, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Warum war sie nicht bei ihm geblieben? Weil er nicht Mack Logan war - das war der Grund.
Bei diesem Gedanken richteten sich die Härchen auf Maisys Armen auf; sie sprang aus dem Pick-up. »Danke, dass du mich hergefahren hast.«
Billy-Joe nickte und fuhr wieder los, während sie in der Auffahrt stehen blieb und die Fassade ihres Elternhauses betrachtete. »Willkommen zu Hause«, sagte sie laut zu sich selbst. Der Whiskey verband diese drei Worte zu einem einzigen.
Maisy stieg die Treppe zur vorderen Veranda hinauf und setzte sich in einen Schaukelstuhl. Hier hatte sie sich in Mack verliebt. Hier war ihr zum ersten Mal klar geworden, dass er der Richtige war.
Seit Maisy sich erinnern konnte, war Mack Logan jedes Jahr zu Beginn des Sommers mit seinem Bruder und seinen Eltern im Volvo-Kombi der Familie angekommen. Riley war dann zum Pearson's Pier hinuntergelaufen, um sich mit ihm zu treffen, und Maisy hatte ihre Schwester bis zum Labor Day Anfang September kaum noch zu Gesicht gekriegt. Mack klaute Maisy ihre Rolle als Rileys bester Freund, was eine rasende Eifersucht in ihr weckte. In jedem Sommer kidnappte er Riley, sodass die Schwester immer nur wenige freie Minuten für Maisy hatte.
Einige Wochen nach Beginn jenes letzten Sommers war Mack auf die vordere Veranda gekommen, wo Riley auf ihn wartete, weil sie zum Freilichtkino wollten. Etwas an der Art, wie er sich bewegte, ließ Maisy erstarren und genauer hinschauen. Sie beobachtete ihn, als er die unterste Stufe betrat, und zwischen zwei Atemzügen verwandelte sich ihre Eifersucht in Sehnsucht. Sie wusste, dass Mack Logan der junge Mann war, auf den sie immer gewartet hatte.
Sie blieb noch einen Augenblick sitzen und rannte dann hinter den beiden her, strahlte Mack an, und ihre Sommerromanze begann.
Trotzdem hatte es weiterhin eine Leere in Maisy gegeben. Sie glaubte, dass dieses Bedürfnis nur bei ihr allein auftrat, und hatte versucht, es zu stillen, indem sie sich ständig vergnügte, sich herausputzte, sich mit Freunden traf. In jenem letzten Sommer mit Mack jedoch nahm sie von all dem Abstand und konzentrierte sich ganz auf ihn.
Eines Nachmittags saßen sie hoch über dem Stausee und beobachteten, wie das Wasser über das Überlaufwehr schoss. Maisy nahm allen Mut zusammen und erzählte Mack von der Leere, die sie verspürte, von ihrer Sehnsucht. Er lachte und meinte, dieses Gefühl kenne doch jeder, und wer das Gegenteil behaupte, sei ein Lügner. In dem Schweigen, das seiner Bemerkung folgte, wurde Maisy klar, dass Mack sie so kannte, wie noch nie jemand sie gekannt hatte, und dass sie ihn liebte.
Es war ihre erste Liebe, und sie war unsicher, vorsichtig und misstrauisch. Sie hatte Angst, etwas zu verderben, und wollte nicht zu schnell auf ihr Ziel losgehen. Daher behielt sie mögliche Worte über die Liebe und über die Zukunft für sich. Sie glaubte, dass der richtige Zeitpunkt, der richtige Ort dafür noch kommen würden. Als der Sommer sich dem Ende näherte, wurde ihr klar, dass - wie bei einem guten Schluss in einem Roman - der Abend mit dem großen Feuer der richtige Zeitpunkt sein würde. Dann würden sie Pläne machen. Mack würde aufs College gehen, während sie ihr letztes Jahr an der Highschool absolvierte, und danach wollte sie zu ihm ziehen. Ihre Mutter hatte immer gesagt, es lohne sich, auf das Gute zu warten.
An jenem Abend hatte sie sich nicht darum gekümmert, wann sie zu Hause sein musste, und war bei Mack am Feuer geblieben. Irgendwann hatten sie den Kreis um das Feuer verlassen und sich unter das
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