Unser Sommer in Georgia
etwas zu, und Riley hörte, wie eine Tür zuschlug. »Also weiter. Was ist los?«
Riley wiederholte alles, was sie Maisy berichtet hatte, und holte dann tief Luft. »Adalee, kannst du gleich nach deiner letzten Prüfung nach Hause kommen? Die ist doch morgen, oder?«
»Ich wollte mit ein paar Freunden nach Florida und das Semesterende feiern. Aber wenn Mama sich verletzt hat, komme ich sofort.«
»Und was ist mit deiner Prüfung morgen?«
»Ich hab den Kurs sowieso vermasselt. Und ein paar andere auch.«
»Ach Gott, Adalee! Weiß Mama das schon?«
»Ja. Und sie hat mir auch schon die Leviten gelesen. Sie hat mich angeschrien und mir erklärt, wohin Faulheit führt. Du brauchst mir jetzt nicht auch noch Vorwürfe zu machen.«
»Hatte ich auch nicht vor, Adalee. Komm einfach morgen her! Wir werden zusammen arbeiten - ich, du und Maisy.«
»Maisy kommt auch?«
Riley kämpfte gegen ihre Eifersucht an. Adalee hatte schon immer ehrfürchtig zu Maisy aufgeschaut, denn sie war die coole Schwester, die in Kalifornien lebte. »Ja.«
»Ich mache mich gleich morgen früh auf den Weg. Aber ich will nicht im Buchladen arbeiten, klar? Ich meine, es ist schließlich mein freier Sommer, meine freie Zeit.«
»Doch, Adalee, du wirst im Laden arbeiten.«
»Nein, kommt gar nicht in die Tüte.«
»Doch.« Riley ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen.
»Wir werden ja sehen ...« Adalees Worte wurden undeutlich, sie fing an zu lachen. Dann klickte es, und die Leitung war tot.
Riley saß in ihrem dunklen Büro und kämpfte gegen die Tränen der Frustration. Nein, aufgeben und weinen wollte sie auf keinen Fall. Sie stand auf, reckte sich und ging durch den schwach beleuchteten Laden nach hinten zur Treppe, die in ihre Wohnung hinaufführte. Wirre Gedanken jagten ihr durch den Kopf. Sie war in keiner Weise darauf vorbereitet, möglicherweise den Laden abzugeben, während sie sich um ihre Mutter kümmerte, und dazu auch noch mit ihren Schwestern zusammenzuarbeiten. Doch im Laufe der Jahre hatte sie gelernt, dass das Leben nie wartete, bis sie bereit war, bevor es sie mit der nächsten Veränderung konfrontierte.
Wie jeden Morgen wollte Riley auf dem Aussichtsturm des Driftwood Cottage den Sonnenaufgang beobachten, denn das stärkte ihre Seele. In einer Hand hielt sie die Taschenlampe, in der anderen das Büchlein Dienstanweisung für einen Unterteufel von C. S. Lewis. Sie setzte sich in den einsamen Schaukelstuhl und schlug das Buch bei dem Lesezeichen auf - sie hatte es schon fast durch. Bevor das Cottage von seinem ursprünglichen Standort auf einer Plantage am Fluss an den Strand versetzt worden war, hatte man von diesem Ausguck ein Baumwollfeld überblicken können. Jetzt starrte Riley auf das leere dunkle Meer hinaus. Dann richtete sie die Taschenlampe auf die Buchseite. Sie tat ihr Bestes, um alle Bücher zu lesen, die die Lesezirkel sich aussuchten. Statt weiterzulesen, rief sie sich heute jedoch ihre Gespräche mit Maisy und Adalee ins Gedächtnis. Wie konnte es nur dazu kommen, dass ihre Beziehung zu den Schwestern, insbesondere die zu Maisy, so schlecht geworden war und sich vollkommen ins Gegenteil verkehrt hatte?
In diesen Momenten vor Sonnenaufgang, wenn Riley mit einem Buch in der Hand dasaß, stieg oft eine tiefe Sehnsucht in ihrem Herzen auf. Normalerweise wurde sie ganz vom Alltag in Anspruch genommen. Sich um Brayden, um den Buchladen und um ihre Mutter zu kümmern, all das füllte ihre Tage vollkommen aus. Die Aufgaben auf ihrer To-do-Liste bildeten einen Schutzwall gegen die Einsamkeit, beschäftigt zu sein war Balsam für sie.
Wenn sie sich vorstellte, dass sie den Driftwood Cottage Bookstore mit dem einladenden Café verlieren könnte, wurde ihr Herz schwer. Sie schüttelte den Kopf - nein, daran wollte sie jetzt nicht denken. Aber diesen Gedanken zu verdrängen war so schwer, als wolle sie eine schrille Sirene überhören.
Inzwischen war die Sonne aufgegangen, und Riley stieg von der Aussichtsplattform hinunter. Sie stellte sich mitten in ihre Küche, unsicher, welcher Aufgabe sie sich zuerst zuwenden sollte. Gedanken und Empfindungen wirbelten in ihrem Inneren herum wie Löwenzahnschirmchen, die man an einem windigen Tag in die Luft gepustet hat.
Mama ist krank ... Dabei ist sie trotz ihrer Eigenheiten die Seele des Buchladens, dachte Riley.
Vor zwölf Jahren hatte Kitsy Sheffield den Logans das Driftwood Cottage abgekauft. Damit hatte sie nicht nur die Gelegenheit ergriffen, ihr Lieblingshaus
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