Unser Sommer in Georgia
Zeit hatte es einen ungewöhnlichen Grundriss.« Riley breitete die Arme aus, als wolle sie den großen Raum umfassen. »Das hier ist der große mittlere Raum, und außerdem gab es vier Eckzimmer, aus denen wir das Büro, den Lagerraum, das Café und die Ecke für die Lesezirkel gemacht haben. Weiterhin gibt es noch das Obergeschoss, wo Brayden und ich wohnen. Und ganz oben ist das Aussichtstürmchen. Von da aus hatte man früher den Blick über die Baumwollfelder.« Während sie sprach, deutete sie auf die vier Ecken des Hauses.
»Du siehst aus wie eine Stewardess«, stellte Lodge fest, während er auf seinem Block mitschrieb. »Dort sind die Notausgänge, und ...« Er lachte.
»Danke! Du bist immer so nett zu mir.«
Lodge blickte auf und rückte seine Brille zurecht. »Ich tue mein Bestes.«
Lächelnd schüttelte Riley den Kopf. »Wie dem auch sei - von außen besteht das Haus aus einer Mischung aus Kalk, Austernschalen und Zement. Im Laufe der Jahre mussten wir es zum Teil mit Holz verkleiden. Das Haus wurde vor vierzig Jahren von seinem ursprünglichen Standort an einem Flussufer hierher versetzt, weil dort neue Häuser gebaut wurden.«
»Wie seid ihr denn auf den Namen Driftwood Cottage Bookstore gekommen?«
»Als das Haus hier ankam, sah es aus wie ein Stück Treibholz, driftwood, das an den Stand gespült worden war, daher der Name Driftwood Cottage. Wir haben nur noch das Wort bookstore, Buchladen, angehängt.
Lodge klopfte mit dem Stift gegen seinen Sessel. »Das habe ich nicht gewusst.«
»Deswegen interviewst du mich ja.«
»Ja, genau.« Er lachte aus vollem Hals wie damals als Kind und wie vor vielen Jahren, als seine Frau noch lebte.
»In altnordischen Mythen heißt es übrigens, dass die ersten Menschen aus Treibholz erschaffen wurden - vielleicht kannst du das ja auch verwenden.«
Lodge nickte. »Gibt es nicht auch eine Sage über das Haus?«
»Die erste Besitzerin hier am neuen Standort hat gesagt, das Driftwood Cottage bringe allen, die durch seine Türen ein und aus gehen, glückliche persönliche Beziehungen. Sie war eine begeisterte Anhängerin von E. M. Forster und ganz überzeugt von diesem Spruch aus Wiedersehen in Howards End. Den kennst du doch, oder?«
»›Nur persönliche Beziehungen ... ‹«
»Ein Mann, der seine Bücher kennt.« Riley lächelte.
»Demnach werden also alle Familien, die hier wohnen, am Ende glücklich?«
»Das mag nicht danach aussehen, aber man muss die Geschichten ganz bis zum Schluss verfolgen und schauen, wo die Beziehungen hinführen.«
»Guter Hinweis. Ich zitiere.« Lodge kritzelte etwas auf seinen Block und schaute über seine Brillengläser hinweg zu Riley. »Du machst das mit deinem Haar so, seit ich dich kenne.«
»Was meinst du?«
»Du streichst es hinter deine Schulter, bevor du etwas sagst.«
»Stimmt gar nicht.«
»Okay.« Er lehnte sich im Sessel zurück. »Jetzt erzähl mir eine Geschichte, die die Sache für unsere Leser interessant macht.«
Ja, dachte Riley, Mama stirbt vielleicht, und dies wird ihr letzter Triumph. Bei dem makabren Gedanken fröstelte sie. Sie war ziemlich sicher, dass es ihrer Mutter nicht recht wäre, wenn Lodge ihren Sturz und ihre Krebserkrankung in seinem Artikel erwähnen würde.
Riley spürte, dass sie im Begriff war, sich wieder einmal das Haar aus dem Gesicht zu streichen, und zwang sich, die Hände ruhig im Schoß liegen zu lassen. »Diese Zweihundertjahrfeier fällt zufällig mit Mamas fünfundsechzigstem Geburtstag zusammen, deswegen haben wir die beiden Feste zusammengelegt. Mama hat die Buchhandlung vor zwölf Jahren eröffnet, und dieser Laden bietet nicht nur meinem Sohn und mir ein Zuhause, sondern der ganzen Stadt. Hier treffen wir uns mit Freunden und sprechen über unser Leben und über Bücher. Hier erfahren wir Neuigkeiten. Hierhin bringen wir unsere Kinder zu Malkursen. Der Buchladen ist zu einem Treffpunkt für alle geworden, zu einem vertrauten Ort in einer zersplitterten Welt, zu einem Zufluchtsort. Und ich glaube, dieses Haus ist schon immer ein Refugium gewesen.«
»Ein Refugium«, wiederholte Lodge. »Gut, und wer ist zu den Festlichkeiten eingeladen?«
»Alle. Nahezu die gesamte Stadt, und wir haben auch Einladungen an die Vorbesitzer des Hauses geschickt und an frühere Sommergäste, soweit wir sie ausfindig machen konnten.«
»Vorbesitzer? Wie viele von ihnen kennt ihr?«
»Mindestens drei Familien, dann wird es unklar. Mack und Sheppard Logan werden kommen ...«
»Mack
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