Unser Spiel
verschwand, als sie feststellte, daß ich nicht derjenige war, den sie erwartet hatte.
»Oh, Entschuldigung«, sagte sie verlegen. »Wir dachten, Sie wären mein Freund, der uns überraschen wollte. Stimmt’s, Ali? Wir dachten, es wäre Daddy.« Ihre Stimme klang antipodisch, aber sanft. Ich tippte auf Neuseeland. Ein barfüßiger kleiner Halbasiate spähte hinter ihrer Hüfte hervor.
»Mrs. May?« sagte ich.
Ihr Lächeln kam wieder. »Nicht schlecht geraten.«
»Entschuldigen Sie, daß ich ein wenig zu früh komme. Ich bin mit Aitken verabredet.«
»Mit Aitken? Hier im Haus?«
»Mein Name ist Pete Bradbury. Ich bin Einkäufer. Aitken und ich machen oft Geschäfte miteinander. Wir haben uns hier um halb zehn verabredet.« Mein Tonfall noch immer forsch, aber freundlich: wie eben zwei Leute an einem sonnigen Herbstmorgen vor der Haustür plaudern.
»Aber er hat noch niemals Einkäufer hier ins Haus bestellt«, wandte sie ein, und ihr Lächeln bekam einen flehenden, leicht ungläubigen Ausdruck. » Alle gehen in den Laden. Stimmt’s, Ali? Das ist die Regel. Daddy bringt keine Arbeit mit nach Hause, stimmt’s, Kleiner?« Der Junge nahm ihre Hand und schaukelte daran, versuchte sie ins Haus zurückzuziehen.
»Na ja, ich bin sozusagen ein ziemlich wichtiger Kunde. Wir machen schon seit langem Geschäfte miteinander. Ich weiß, daß er sich ungern stören läßt, aber er hat gesagt, er habe mir etwas ganz Besonderes zu zeigen.«
Sie war beeindruckt. »Sind Sie der große, große Einkäufer? Der, der uns alle unermeßlich reich machen wird?«
»Na, das will ich hoffen. Und ich hoffe, er wird auch mich reich machen.«
Ihre Verwirrung nahm zu.
»Das kann er doch nicht vergessen haben«, sagte sie. »Aitken doch nicht. Er denkt Tag und Nacht an dieses Geschäft. Er ist bestimmt schon unterwegs.« Ihre Zweifel kehrten zurück. »Und Sie sind wirklich ganz sicher, daß Sie sich nicht irren und in den Laden kommen sollten? Nur, er hätte doch ohne weiteres vom Flughafen aus direkt dorthin fahren können. Er ist unheimlich pünktlich!«
»Ich bin noch nie in dem Laden gewesen. Wir haben uns immer in London getroffen. Ich wüßte gar nicht, wie ich überhaupt da hinkommen sollte.«
»Ich auch nicht. Ali, laß das. Nur, er macht das eben grundsätzlich nicht. Er ist im Ausland, müssen Sie wissen. Aber anscheinend ist er jetzt auf dem Rückweg. Ich meine, er könnte schon hier sein.«
Ich wartete, bis sie mit sich ins reine kam.
»Also. Na schön. Warum kommen Sie nicht ins Haus und trinken eine Tasse Tee, bis er zurück ist? Er wird furchtbar wütend sein. Wenn irgend jemand ihn versetzt, könnte er vor Wut platzen. In der Beziehung ist er kein bißchen orientalisch. Ich heiße übrigens Julie.«
Ich trat nach ihr ins Haus, zog die Schuhe aus und stellte sie zu den anderen auf den Ständer neben der Tür.
* **
Das Wohnzimmer war Küche, Spiel- und Wohnzimmer in einem. Es gab dort ein altes Puppenhaus, Rohrmöbel und angenehm unordentliche Regale voller Bücher in Englisch, Türkisch und Arabisch, die kreuz und quer gestapelt waren. Es gab einen Samowar aus vergoldetem Silber, Korantexte und Seidenstickereien. Ich erkannte ein koptisches Kreuz und osmanische Nelken. Ein goldgrünes magisches Auge über der Tür sollte böse Geister fernhalten. In einem geschnitzten Wandschränkchen saß eine Mutterkultgöttin im Damensitz auf einem unverkennbaren Hengst. Und auf dem Fernseher stand ein farbiges Atelierfoto, das Julie und einen bärtigen Mann zwischen rosa Rosen zeigte. Im Fernsehen lief ein Zeichentrickfilm für Kinder. Sie stellte den Ton leiser, stellte ihn aber wieder lauter, als Ali protestierte. Sie machte eine Kanne Tee und legte Butterkekse auf einen Teller. Sie hatte lange Beine und eine lange Taille und den bemüht lässigen Gang eines Models.
»Wenn Sie wüßten, wie ungewöhnlich das ist, es ist so dumm, so untypisch für ihn«, sagte sie. »Sie sind doch nicht den weiten Weg von London hierhergekommen, nur – nun ja – nur deswegen? «
»Ist keine Tragödie. Wie lang ist er schon weg?«
»Eine Woche. Was ist Ihre Spezialität?«
»Pardon?«
»Womit handeln Sie?«
»Ach, mit allem möglichen. Hamadans. Belutschs. Kilims. Von allem das Beste, wenn ich’s mir leisten kann. Sind Sie auch im Geschäft mit dabei?«
»Eigentlich nicht.« Sie lächelte, aber hauptsächlich zum Fenster hin, weil sie Ausschau hielt. »Ich unterrichte an Alis Schule. Stimmt’s, Ali?«
Sie ging nach nebenan, der
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