Unser Spiel
blutverschmiert. Ich ging auf die Rückseite des Dormobile, packte den Türgriff und rüttelte daran, als wollte ich ihn abbrechen, was ich vielleicht auch getan habe. Plötzlich gab der Griff nach. Ich riß beide Türen gleichzeitig auf, fand aber nur Säcke und Rattendreck und einen Packen alter Erotikmagazine.
Halb rennend, halb gehend, stieg ich den Hügel hoch. Das Gras wuchs in kniehohen Büscheln wie das Gras in Priddy, und nach drei Schritten war meine Hose quietschnaß. Neben mir zog sich eine Steinmauer hin. Hohe kahle Bäume, vom Blitz entrindet und von Sonne und Regen versilbert, stachen mit ihren dünnen Fingern nach mir. Zweimal geriet ich ins Stolpern. Ein Stacheldrahtzaun umgab die Hütte, war aber dort, wo die Reifenspuren hindurchführten, offen. Die Hütte war rechteckig, knapp vier mal drei Meter, aber irgendwann hatte man einen primitiven Anbau angefügt, von dem jetzt nur noch ein hölzernes Skelett übrig war. Die Wolke hatte sich verzogen. Von beiden Seiten des Tals starrten finstere Gipfel auf mich nieder, in deren farnbewachsenen Hängen der Wind spielte.
Ich suchte eine Tür oder ein Fenster, aber ein erster Rundgang ergab nichts. Ich sah mir noch einmal die Spuren an und bemerkte, daß sie auf dem Hang oberhalb der Hütte aufhörten, kurz vor einer Stelle in der Mauer, wo früher einmal eine Tür gewesen war: Der steinerne Sturz und der Holzrahmen waren noch erkennbar, nur die Öffnung war mit Granitbrocken und Mörtel zugemauert. Und vor dieser Tür sah ich aufgewühlten und zertrampelten Matsch und Fußabdrücke, die zwischen den Reifenspuren hin und her gingen: dieselben Abdrücke von Männerschuhen, die ich vor der Küchentür gesehen hatte. Blut sah ich nicht, aber als ich eine Münze aus der Tasche nahm und damit an dem Mörtel herumkratzte, war er weicher als der Mörtel der Mauer außerhalb des Türrahmens.
Und hier bekam ich einen zweiten indirekten Hinweis auf die Eindringlinge: Sie waren nicht nur Schänder und Männer des Messers, sondern auch Männer des rauhen Landes, Männer, die im Freien lebten und an Entbehrungen gewöhnt waren. Das alles sagte ich mir, während ich mit einem Stück alten Eisens ungeschickt in dem Mörtel herumbohrte. Ich bohrte, bis ich stemmen konnte, und nachdem ich gestemmt hatte, sah ich hinein. Der Gestank explodierte mir ins Gesicht, ich sprang zurück und würgte, denn in dem einzigen Lichtstrahl hatte ich drei Leichen gesehen, die Hände über den Köpfen zusammengebunden, die Münder offen zu einem schweigsamen Chor. Doch unser Egoismus in schlimmen Situationen ist eigenartig – vor Erleichterung, daß weder Emma noch Larry dabei waren, sang ich trotz all meines Ekels ein stummes Halleluja.
* **
Nachdem ich die Steine so gut ich konnte wieder eingesetzt hatte, ging ich langsam den Hügel hinunter, die durchnäßte Hose scheuerte mir an den Beinen. Im Angesicht des Todes klammern wir uns hartnäckig an Banalitäten, und das war zweifellos der Grund dafür, warum ich in das Empfangszimmer zurückging, routinemäßig die Kassette aus dem Anrufbeantworter nahm und in meine arg strapazierte Tasche stopfte. Von dort ging ich, meinen Weg zurückverfolgend, von Zimmer zu Zimmer und überlegte, was ich sonst noch mitnehmen sollte und ob es sich lohnte, die Beweise für meine Anwesenheit hier zu beseitigen. Aber meine Fingerabdrücke waren überall, ebenso meine Fußspuren. Ich sah mir Mays Büro noch einmal gründlich an. Ich klopfte ab, was von seinem Jackett übrig war, und durchwühlte die Trümmer seines Schreibtischs. Keine Brieftasche. Kein Geld. Keine Kreditkarten. Dann fiel mir der schwarze Aktenkoffer ein. Ich ging mit langsamen Schritten zu dem Mercedes zurück und suchte in Mays Schlüsselbund, bis ich auf ein verchromtes Ding stieß, das nicht größer war als ein winziger Dosenöffner. Ich schloß den Aktenkoffer auf und fand darin eine Mappe mit Papieren, einen Taschenrechner, einen deutschen Füllfederhalter mit dazu passendem Drehbleistift, einen dicken britischen Paß auf Mays Namen, Travellerschecks, US-Dollars und einen Umschlag mit Flugtickets. Der Paß war von derselben Art wie der von Bairstow: blau eingebunden, vierundneunzig Seiten, exotische Visa, Ein- und Ausreisestempel in rauhen Mengen, zehn Jahre Laufzeit, Größe 1 Meter 70, geboren Ankara 1950, ausgestellt 10. Nov. 1985, gültig bis 10. Nov. 1995. Das rotwangige Foto des Inhabers auf Seite drei hatte wenig gemein mit dem angejahrten Herrn, der mit seiner Geliebten
Weitere Kostenlose Bücher