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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Auf der Fußabmatte lag ein Dutzend Umschläge, die meisten braun. Nichts von Emma, nichts von Larry. Ich untersuchte die Poststempel. Alle um einen Tag zu spät. Ich untersuchte die Klebeverschlüsse. Alle zu gut verschlossen. Wann würde die Firma jemals klug werden? Ich legte die Umschläge auf die Marmorplatte des Beistelltischs, stieg, ohne Licht zu machen, die sechs Stufen zur großen Eingangshalle hoch und blieb reglos stehen.
    Und lauschte. Und schnüffelte. Und spürte den Hauch eines warmen Körpers in der bewegungslosen Luft. Schweiß? Deodorant? Pomade? Bestimmen konnte ich es zwar nicht, aber registrieren. Behutsam schlich ich durch den Gang zu meinem Arbeitszimmer. Auf halbem Weg spürte ich es wieder: das gleiche Deodorant, eine kaum merkliche Spur von abgestandenem Zigarettenrauch. Nicht im Haus geraucht – das wäre Wahnsinn gewesen. Sondern vielleicht im Pub oder im Auto, nicht unbedingt von demjenigen, dessen Kleider den Mief mitgebracht hatten, aber auf jeden Fall fremder Zigarettenrauch.
    Als ich am Morgen nach London gefahren war, hatte ich keine raffinierten Fallen gelegt, keine Haare in Schlösser gesteckt, keine Fädchen über die Türangeln gespannt, keine Polaroidaufnahmen gemacht. So etwas hatte ich nicht nötig. Ich hatte meinen Staub. Montag ist Mrs. Benbows freier Tag. Ihre Freundin Mrs. Crook kommt nur, wenn auch Mrs. Benbow kommt, womit sie ihre Abneigung gegen Emma zum Ausdruck bringt. Zwischen Freitagabend und Dienstagmorgen wird daher im ganzen Haus nicht staubgewischt, es sei denn, ich tue es selbst. Und normalerweise tue ich es. Ein bißchen Hausarbeit macht mir Spaß, und montags poliere ich gern meine Sammlung von Barometern aus dem achtzehnten Jahrhundert und ein paar Einzelstücke, die in Mrs. Benbows ziemlich strengem Dienstplan nur selten vorkommen: meine chinesischen Chippendale-Schemel und den Kartentisch in meinem Ankleidezimmer.
    Aber an diesem Morgen war ich früh aufgestanden und hatte mit jenem Gespür für mein Handwerk, mit dem ich offenbar schon seit meiner Kindheit begabt bin, den Staub liegen lassen. Bei einem Kaminfeuer in der Eingangshalle und einem zweiten im Salon kommt bis Montagmorgen einiges zusammen, mehr noch freilich bis Montagabend. Und ich sah, kaum war ich ins Arbeitszimmer getreten, keine Staubschicht auf meinem Walnußschreibtisch. Nicht ein einziges ehrbares Stäubchen auf der gesamten Fläche. Die Messinggriffe glänzten wie neu. Ich konnte die Politur riechen.
    Also waren sie hier, dachte ich ohne Gefühlsregung. Es steht fest: Sie waren hier. Merriman bestellt mich nach London, und während er mich sicher unter den Augen hat, schickt er seine Spürhunde in einem Möbelwagen oder Elektrikerwagen los, oder was auch immer die heute für solche Zwecke benutzen, läßt sie in mein Haus einbrechen und es durchsuchen, in der Gewißheit, daß Montag ein günstiger Tag ist. Er weiß, daß Lanxon und die Toller-Mädchen fünfhundert Meter vom Hauptgebäude entfernt beschäftigt sind, in einem Garten, hinter dessen Ziegelsteinmauer sie nichts anderes sehen können als den Himmel. Und da er schon mal dabei ist, läßt er gleich auch meine Post überprüfen und hat inzwischen bestimmt auch längst mein Telefon anzapfen lassen.
    Ich ging nach oben. Wieder Rauch. Mrs. Benbow raucht nicht. Ihr Mann ebenfalls nicht. Ich auch nicht, ich kann diese Angewohnheit und den Geruch nicht ausstehen. Wenn ich von irgendwoher zurückkomme und habe Rauch in der Kleidung, muß ich mich vollständig umziehen, ein Bad nehmen und mir die Haare waschen. Wenn Larry zu Besuch hiergewesen ist, reiße ich sämtliche Türen und Fenster auf, soweit es das Wetter zuläßt. Aber auf dem Treppenabsatz roch ich wieder abgestandenen Zigarettenrauch. Ebenso im Ankleide- und Schlafzimmer. Ich ging über die Galerie zu Emmas Seite des Hauses: ihre Seite, meine Seite, und die Galerie zwischen uns wie ein Schwert. Larrys Schwert.
    Den Schlüssel in der Hand, stand ich vor ihrer Tür, genau wie in der vorigen Nacht, und wieder unsicher, ob ich hineingehen sollte. Die Tür war aus Eiche und mit Ziernägeln beschlagen, eine Haustür, die es irgendwie nach oben geschafft hatte. Ich drehte den Schlüssel um und trat ein. Dann schloß ich hastig hinter mir ab, wozu, wußte ich nicht. Seit dem Tag, als ich nach ihrem Weggang aufgeräumt hatte, war ich nicht mehr hier drin gewesen. Ich holte langsam Luft, durch Mund und Nase zugleich. Ein Hauch von parfümiertem Körperpuder vermischte sich mit

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