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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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knacken, Papiere fotografieren, sich alles mögliche einprägen, den richtigen Augenblick abwarten und, wenn es einmal sein mußte, weglaufen und untertauchen. Oberst Wolodja Zorin, einst der Stolz von Moskaus England-Abteilung, steht unter Hausarrest. Beim Überqueren der Fußgängerbrücke am Bahnhof von Castle Cary brachte mich das Klappern von Kinderschuhen auf der viktorianischen Eisenkonstruktion ganz durcheinander, ich glaubte Dampf und brennende Kohlen zu riechen. Ich war wieder ein Kind und schleifte meine Schultasche die Steintreppe hinunter, um die nächsten einsamen Ferien bei Onkel Bob zu verbringen.
    Mein prächtiger alter Sunbeam stand auf dem Bahnhofsparkplatz, wo ich ihn abgestellt hatte. Hatten sie daran herumgemacht, Wanzen und Fahrtenschreiber eingebaut, den Wagen mit der neuesten Zauberfarbe besprüht? Die moderne Technik ging über meinen Horizont. Das war schon immer so gewesen. Beim Fahren irritierten mich die Scheinwerfer eines Autos, das dicht hinter mir fuhr, aber auf dieser kurvenreichen Strecke versuchen nur Idioten und Betrunkene zu überholen. Ich ließ die Hügel hinter mir und fuhr durchs Dorf. An manchen Abenden war die Kirche angestrahlt. Heute nicht. In den Fenstern flackerten die letzten Bildschirme wie verlöschende Glut. Die Scheinwerfer kamen von hinten auf mich zugerast, blendeten auf und wieder ab. Ich hörte eine Hupe. Ich fuhr an die Seite, um den Wagen vorbeizulassen, und erblickte Celia Hodgson, die mir aus ihrem Land-Rover übermütig zuwinkte. Ich winkte übermütig zurück. Celia war eine meiner hiesigen Eroberungen aus der Zeit vor Emma, als ich noch nicht auf Honeybrook wohnte und als Besitzer dieses Anwesens einer der begehrtesten Wochenendgeschiedenen der Gemeinde war. Sie lebte in ärmlichen Verhältnissen auf einem großen Gut in der Nähe von Sparkford, nahm an Fuchsjagden teil und organisierte das Ferienprogramm unserer Kinder. Als ich sie eines Sonntags zu mir zum Lunch eingeladen hatte, war ich zu meiner Überraschung schon vor der Avocado mit ihr im Bett. Ich war noch immer Vorsitzender ihres Komitees, wir plauderten noch immer beim Lebensmittelhändler. Danach habe ich nie mehr mit ihr geschlafen, und sie schien mir wegen Emma nicht böse zu sein. Manchmal habe ich mich gefragt, ob sie sich überhaupt an die Episode erinnerte.
    Vor mir erhoben sich die steinernen Torpfosten von Honeybrook. Ich verlangsamte auf Schrittempo, schaltete den messinggelben Nebelscheinwerfer ein und zwang mich, die Reifenspuren in der Einfahrt zu studieren. Da war zuerst John Guppys Postauto. Jeder andere Fahrer weicht nach links aus, um die drei großen Schlaglöcher in der Senke zu umfahren, aber weil John es schon seit vierzig Jahren so macht, nützen auch meine inständigsten Bitten nichts: Er weicht lieber nach rechts aus, ramponiert mir die Rasenkante und rammt die Zwiebeln der Osterglocken in den Boden.
    Neben John Guppy die tapfere dünne Fahrradspur von Ted Lanxon. Ted war mein Züchter, mir von Onkel Bob mit der Weisung hinterlassen worden, den Mann zu behalten, bis er umfiel, was zu tun er sich beharrlich weigerte; da wollte er doch lieber die vielen Fehler meines Onkels in alle Ewigkeit fortsetzen. Und kreuz und quer darüber die holprigen Abdrücke des in Dschungelfarben gestrichenen Subaru der Toller-Schwestern, der den Boden nur berührte, um gleich wieder abzuheben. Die Tollers waren unsere Aushilfskräfte und Teds Fluch, aber auch seine Wonne. Und breit ausgewalzt zog sich der fremde Abdruck eines schweren Lastwagens über die Tollers. Offenbar war etwas angeliefert worden. Aber was? Der bestellte Dünger? War am Freitag gekommen. Die neuen Flaschen? Waren vorigen Monat gekommen.
    Auf der Kiesfläche vor dem Haus sah ich nichts Beunruhigendes, bis dieses Nichts mich zu stören begann. Warum waren auf dem Kies keine Reifenabdrücke? Waren die Toller-Mädchen auf dem Weg zum ummauerten Garten nicht hier durchgebraust? Hatte John Guppy hier nicht geparkt, als er meine Post ablieferte? Und was war mit meinem mysteriösen Lastwagen: War der den weiten Weg gekommen, nur um hier senkrecht in die Luft zu steigen?
    Ich ließ die Scheinwerfer an, stieg aus dem Wagen und schritt auf der Suche nach Fuß- oder Reifenabdrücken die Auffahrt ab. Jemand hatte den Kies geharkt. Ich machte die Scheinwerfer aus und stieg die Stufen zum Haus hinauf. Während der Zugfahrt hatte mir der Rücken zu schaffen gemacht. Doch als ich in den Windfang trat, waren die Schmerzen plötzlich weg.

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