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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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der Scheibe des Mahagoniportals dasselbe unbesetzte Taxi mit ausgeschaltetem Licht gespiegelt sehe, das mir die ganze Strecke von der Praed Street an gefolgt ist.
    * **
    »Mr. Cranmer, hallo, wie schön, daß Sie gekommen sind«, winselte Jamies träge Sekretärin Pandora, als ich das mit edwardianischen Ledermöbeln eingerichtete Vorzimmer betrat, in dem sie das Zepter führte.
    »Teufel auch, Tim!« rief Jamie Pringle, der seine zweihundert Pfund in ein gestreiftes Hemd und maulbeerfarbene Hosenträger gequetscht hatte, und zwang mich zu einem zermalmenden Händedruck. »Jetzt sag bloß, wir haben schon wieder Freitag, was, was?«
    Pringle ist ein Arschloch , hatte ich Larrys Stimme im Ohr. Damals . Heute . In alle Ewigkeit . Amen .
    Monty trieb herein wie sein eigener Schatten. Er trug eine verbeulte schwarze Weste und eine Hose mit breiten Aufschlägen und stank nach den Zigaretten, die er auf der Etage seiner Kompagnons nicht rauchen durfte. Monty führte die Bücher und bezahlte vierteljährlich unsere Spesen mit Schecks, die Jamie unterschrieb.
    Nach ihm kam Paul Lavender, noch immer zitternd von der gefährlichen Reise, die er im Rolls Royce von seinem Haus in der Mount Street hierher unternommen hatte. Paul war ein katzenhafter, blonder Mann von siebzig Jahren und bewegte sich sehr langsam in seinen mit schlappen Fransen verzierten Marken-Mokassins. Sein Vater, unser Wohltäter, hatte als Lehrer in Llandudno angefangen, dann eine Hotelkette gegründet und später für hundert Millionen Pfund verkauft.
    Nach Paul kamen Dolly und Eunice, seine zwei unverheirateten Schwestern. Dolly trug einen Diamantanhänger in Form eines Rennpferds. Sie hatte vor Jahren beim Derby gewonnen, so behauptete sie jedenfalls, aber ihre Schwester schwor, Dolly habe nie etwas Größeres besessen als einen überfütterten Chihuahua.
    Und wiederum nach ihnen kam Henry, der Familienanwalt der Lavenders. Unsere häufigen Besprechungen hatten wir Henry zu verdanken. Und wer wollte ihm einen Vorwurf machen, wo er dabei vierhundert Pfund die Stunde verdiente?
    »Die Weinpreise halten sich noch?« fragte er zweifelnd, als wir uns die Hand gaben.
    »Ja, ich glaube schon, danke. Ganz gut.«
    »Das billige Franzosenzeug drängt Sie nicht aus dem Markt? Da muß ich wohl die falschen Zeitungen gelesen haben.«
    »Das scheint mir auch so, Henry«, sagte ich.
    ***
    Wir saßen um Pringles berühmten Konferenztisch. Jeder von uns hatte das Protokoll der letzten Sitzung vor sich, einen Rechenschaftsbericht und eine Wedgwood-Knochenporzellanteetasse mit einem gesüßten Mürbeteigkeks auf der Untertasse. Pandora schenkte ein. Paul stützte den Kopf auf eine blutleere Hand und schloß die Augen.
    Jamie, unser Vorsitzender, schickte sich zum Reden an. Die Fäuste, die vor dreißig Jahren verdreckte Rugbybälle aus dem wildesten Gedränge gerissen hatten, schlossen sich um das winzige Goldgestell einer Lesebrille und hakten es um die Ohren. Der Markt, sagte Jamie, sei flau. Er gab den Ausländern die Schuld daran.
    »Solange die Deutschen ihre Zinsen nicht senken und der Yen seinen Höhenflug hat und die High-Street-Einnahmen im Keller sind« – er sah verwirrt um sich, als hätte er vergessen, wo er war –, »wird die britische Währung in der Talsohle steckenbleiben.« Er nickte Henry zu, der mit scheußlichem Klacken die beiden Verschlüsse eines Hartschalenkoffers aufspringen ließ und uns einen endlosen Bericht vorlas:
    Die Verhandlungen mit den örtlichen Behörden über Bereitstellung von Sporteinrichtungen in den Innenstädten ziehen sich in der Geschwindigkeit hin, die man von Kommunalbeamten zu erwarten hat, Jamie …
    Das Angebot der Stiftung, in der Lavender Mütterklinik eine zusätzliche Kinderabteilung einzurichten, kann erst dann weiterverfolgt werden, wenn zusätzliche Stiftungsgelder für die Personalkosten bereitgestellt sind. Für solche Zwecke steht zur Zeit nichts zur Verfügung, Jamie …
    Unser Vorschlag, für die Kinder in unterversorgten Gebieten eine Fahrbücherei zur Verfügung zu stellen, ist im Stadtrat auf politischen Widerstand gestoßen – von einer Seite wird angeführt, die Zeiten kostenloser Bibliotheken seien endgültig vorbei, andere verlangen, die Zuständigkeit für die Auswahl der Bücher solle beim örtlichen Kulturdezernat liegen, Jamie …
    » So ein Blödsinn! «
    Eunice war explodiert. Das tat sie in etwa diesem Stadium der Verhandlung meistens.
    »Unser Vater würde sich im Grab umdrehen«, brüllte sie

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