Unser Spiel
mit ihrem unterdrückten walisischen Akzent. »Bücher umsonst für die Ungebildeten? Das ist ja der reinste Kommunismus !«
Dolly widersprach nicht minder heftig. Wie meistens.
»Das ist eine glatte Lüge, Eunice Lavender. Dad würde aufstehen und begeistert Beifall klatschen. Für Kinder hat er sich bis zum letzten Atemzug engagiert. Er hat uns geliebt. Stimmt’s, Paulie?«
Aber Paul war mit seinen Gedanken in einem anderen Wales. Er hatte die Augen immer noch geschlossen und ein vages Lächeln im Gesicht.
Jamie Pringle leitete den Ball behende an mich weiter. »Tim. So schweigsam heute? Wie siehst du das denn?«
Aber diesmal verließ mich mein diplomatisches Geschick. An jedem anderen Tag hätte ich ihm mit irgendeinem Ablenkungsmanöver dienen können: Ich hätte Henry gedrängt, seine Verhandlungen mit den städtischen Behörden zu beschleunigen, oder ich hätte mein Mißfallen über Pringles Verwaltungskosten geäußert, die als einziger Posten in den Geschäftsbüchern steigende Tendenz aufwiesen. Aber an diesem Vormittag mußte ich zu viel an Larry denken. Immer wenn ich in die Runde blickte, sah ich ihn auf einem der großen leeren Sessel sitzen: wie er uns, in meinem grauen Anzug, den er nie zurückgegeben hatte, irgendein Märchen von seinem Freund in Hull erzählte.
»Monty. Du bist dran«, bestimmte Jamie.
Also ließ Monty ein pflichtschuldiges Räuspern vernehmen, nahm ein Blatt Papier aus dem Stapel vor ihm und hielt uns einen Vortrag über die Einnahmen, die diesmal zu verteilen waren. Doch leider gab es nach Abzug von Spesen und Kosten und sonstigen Auslagen nun schon auf der zehnten Sitzung in Folge keine Einnahmen zu verteilen. Und nicht einmal im Hause Pringle hatte man bis jetzt eine Methode entwickelt, einen nicht vorhandenen Betrag prozentual an die Armen und Bedürftigen des walisischen Landadels auszuschütten, wie es laut Satzung aus dem Jahre Soundso vorgesehen war.
* **
Wir aßen zu Mittag. Das weiß ich noch. In dem holzgetäfelten Heiligtum, wo wir immer aßen. Mrs. Peters servierte in weißen Handschuhen, und wir köpften ein paar Magnumflaschen des 1955er Cheval Blanc, den die Stiftung vor zwanzig Jahren zur Erquickung ihrer schwer gestreßten Funktionäre in weiser Voraussicht eingelagert hatte. Aber von unserer furchtbaren Unterhaltung habe ich Gott sei Dank fast alles vergessen. Dolly verabscheute Nigger: Daran erinnere ich mich. Eunice fand sie reizend. Monty fand, in Afrika seien sie am besten aufgehoben. Paul bewahrte sein undurchdringliches Lächeln. Eine prächtige Schiffsuhr, die im Hause Pringle traditionsgemäß die Zeit angab, registrierte lautstark unsere Fortschritte. Um halb drei waren Dolly und Eunice mit wütend roten Köpfen davongestürmt. Um drei war Paul eingefallen, daß er noch etwas zu erledigen hatte; mußte er irgendwo hin, oder hatte er einen Termin? Wahrscheinlich zum Friseur, meinte er. Henry und Monty gingen mit ihm, wobei ihm Henry etwas von unerledigten Dingen zu vierhundert Pfund die Stunde ins Ohr murmelte während Monty der ersten von zahlreichen Zigaretten entgegenfieberte, die er jetzt brauchte, um den Rückstand wieder aufzuholen.
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Jamie und ich saßen nachdenklich vor unserer Karaffe mit hauseigenem Portwein.
»Na wunderbar«, sagte er tiefsinnig. »Tja. Na denn. Prost. Auf uns.«
Wenn ich ihn jetzt nicht unterbrach, würde er im nächsten Atemzug zu einem Vortrag über die großen Themen unserer Zeit anheben: über die Anmaßung der Frauen, die rätselhaften Gewinneinbrüche der North Sea Oil Company – er fürchtete ernsthaft um die Arbeitsplätze –, oder wie der Computer anständige Bankgeschäfte unmöglich gemacht habe. Und in exakt dreißig Minuten würde Pandora ihr langweiliges Adelsgesicht zur Tür hineinstecken und Mr. Jamie an einen Termin erinnern, den er noch vor Schalterschluß wahrzunehmen habe; was in der Sprache von Pringle Brothers bedeutete: »Sie wollten doch zum Golf nach St. Andrews, der Chauffeur wartet schon, um Sie zum Flughafen zu bringen«, oder »Sie haben versprochen, übers Wochenende mit mir nach Deauville zu fahren«.
Ich erkundigte mich nach Henrietta Jamies Frau. Das machte ich immer, und ich wagte es nicht, an diesem Ritual etwas zu ändern.
»Henrietta geht’s einfach phantastisch«, antwortete Jamie abwehrend. »Hunt bekniet sie, weiterzumachen, aber die liebe Hen ist sich unschlüssig. Hat es offen gestanden langsam satt, wie die Gegner dauernd dazwischenfunken.«
Ich fragte nach
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