Unser Spiel
seinen Kindern.
»Die machen sich prächtig, Tim. Marcus ist Captain o’Fives, Penny debütiert im nächsten Frühjahr. Kein richtiges Debüt, nicht so, wie die Mädchen zu unserer Zeit. Aber immer noch besser als gar nichts«, fügte er hinzu und sah wehmütig an mir vorbei auf die illustren Namen der Pringles, die in zwei Kriegen gefallen waren.
Ich fragte, ob er in letzter Zeit jemanden aus unserer alten Clique in Oxford gesehen habe. Seit dem Gelage bei Boodle niemand mehr, antwortete er. Ich fragte, wer dagewesen sei. Ich brauchte noch zwei weitere Züge, bis er scheinbar aus eigenem Antrieb von Larry erzählte. Was meinerseits im Grunde kein großes Kunststück war, denn wenn unser Jahrgang von alten Kumpels sprach, landete man früher oder später zwangsläufig bei Larry.
»Außerordentlicher Bursche«, erklärte Jamie mit der felsenfesten Gewißheit, die Leuten seines Schlages eigen ist. »Begabt, ungemein talentiert, charmant. Anständige christliche Herkunft, Vater bei der Kirche und so weiter. Aber keine Beständigkeit. Wer nicht beständig ist, bringt es im Leben zu nichts. Eine Woche rot angehaucht, in der nächsten nichts mehr davon wissen wollen. Hat’s jetzt endgültig aufgegeben. Die Kommunisten sind jetzt allesamt Kapitalisten. Schlimmer als die verfluchten Amis.« Und dann, fast zu unbekümmert, als ob ihm mein Schutzengel ins Ohr flüsterte: »Hat mich kürzlich mal besucht. Bißchen angeschlagen, fand ich. Bißchen deprimiert. War sich offenbar bewußt, die falsche Seite unterstützt zu haben, nehme ich an. Durchaus verständlich, wenn man’s sich überlegt.«
Ich lachte herzlich. »Jamie! Du willst mir doch nicht erzählen, daß Larry unter die kapitalistischen Unternehmer gegangen ist? Das wäre ja ein starkes Stück.«
Aber Jamie, der sonst ohne Vorwarnung wie ein Irrer lachen konnte – und meistens humorlos –, schenkte sich nur Portwein nach und wurde noch ernster. »Offen gestanden, ich habe keine Ahnung, was er geworden ist. Geht mich auch nichts an. Auf jeden Fall mehr als nur Unternehmer. Hat wohl eher die Gunst der Stunde genutzt, wenn du mich fragst«, fügte er undeutlich hinzu und stieß mir die Karaffe hin, als wollte er sie nie mehr sehen. »Und außerdem fehlt es ihm offen gestanden am gebührenden Respekt.«
»Du liebe Zeit«, sagte ich.
»Ziemlich übertriebene Vorstellungen von sich selbst.« Ein gereizter Schluck Portwein. »Muß jetzt wohl überkompensieren. Predigt lauter idiotisches Zeug, wir hätten die Pflicht, den gerade befreiten Nationen auf die Füße zu helfen, altes Unrecht wiedergutzumachen, Normen sozialer Gerechtigkeit aufzustellen. Fragt, ob ich die Absicht hätte, mich auf die andere Seite zu schlagen. ›Immer mit der Ruhe, Alter‹, hat er gesagt. ›Ab warten. Warst du nicht auch einer von denen, die den Sowjets unter die Arme gegriffen haben? Hat mich ein bißchen verblüfft, wenn ich mal so sagen darf. Bißchen konsterniert. Verwirrt.‹«
Ich beugte mich vor, um ihm zu zeigen, daß ich ganz Ohr war. Ich gab meinem Gesicht den Ausdruck faszinierter, schmeichlerischer Ungläubigkeit. Mit meiner ganzen Körpersprache versuchte ich ihn dazu zu bringen, diese verdammte Geschichte aus dem nebligen Dickicht seines einsamen kleinen Kopfes hervorzuziehen: »Weiter, Jamie. Das ist ja ungeheuer spannend. Mehr davon.«
» Ich kenne nur die Pflicht gegenüber meinem Haus, habe ich ihm erklärt. Wollte nichts davon wissen. Ich hab ihn doch immer für einen Intellektuellen gehalten. Aber wie kann man ein Intellektueller sein und nichts wissen wollen? Hat glatt an mir vorbeigeredet. Ich würde den Kopf in den Sand stecken. Tu ich nicht. Ich habe Familie. Zum Heulen.«
»Aber was um alles in der Welt hat er denn von dir verlangt, Jamie? Daß du Pringle Brothers zu einem Dritte-Welt-Laden machen sollst?« Als ich das sagte, schoß es mir durch den Kopf, daß das gar keine so schlechte Idee wäre. Aber mein Gesicht, falls es denn richtig reagierte, bekundete lediglich aufrichtiges Mitgefühl darüber, daß Jamie mit derart schlechten Manieren konfrontiert worden war.
Eine halbe Minute Stille, während er seine intellektuellen Ressourcen zusammensuchte. »Die sowjetische kommunistische Partei wird privatisiert. Richtig?«
»Richtig.«
»Darum ging es. Verkauf von Parteivermögen. Gebäude. Altersheime, Büros, Verkehrsmittel, Sportpaläste, Schulen, Krankenhäuser, ausländische Botschaften, Land in rauhen Mengen, unbezahlbare Gemälde, Fabergé, weiß der
Weitere Kostenlose Bücher