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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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und ich habe die reichlich gestelzte Unterhaltung auf ein anderes Thema gelenkt, weg von den Leiden Bosniens, der ethnischen Säuberung der Abchasier, der Dezimierung der Molukken und irgendwelchen anderen brennenden Tagesthemen, von denen die beiden verzehrt werden –, daß Jamie Pringles Name beiläufig wieder auftaucht. Oder vielleicht hat irgendein Dämon in mir mich angestoßen, denn ich werde jetzt langsam ein wenig leichtsinnig.
    »Ja – ach übrigens – wie ist eigentlich die Sache mit Jamie gelaufen?« frage ich Larry mit jener besonderen Unbekümmertheit, mit der wir Spione in Gegenwart eines gewöhnlichen Sterblichen ein Thema aus seiner geheimen Verpackung holen.
    »Hat er deinem Freund in Hull nützen können? War er hilfreich? Erzähl doch mal.«
    Larry sieht Emma an, dann mich, aber ich frage mich schon lange nicht mehr, warum er Emma zuerst ansieht, denn mittlerweile ist alles, was sich zwischen uns dreien abspielt, erst einmal Gegenstand stummer Beratung zwischen den beiden.
    »Pringle ist ein Arschloch«, antwortet Larry barsch. »Damals. Heute. In alle Ewigkeit. Amen.«
    Und dann ergeht er sich, während Emma sittsam auf ihren Teller blickt, in ausgiebigen Schmähungen auf die, wie er sie nennt, nichtsnutzigen Schwätzer unserer Oxford-Generation und macht auf diese Weise das Thema Jamie Pringle zu einer weiteren Hetzrede gegen das Erlahmen des Mitleids im Westen.
    Er hat sie umgedreht, denke ich im Jargon unseres Gewerbes. Sie ist weg. Desertiert. Übergelaufen. Und weiß es nicht einmal.
    * **
    Durch die Bogenscharten sah ich hinter den Hügeln die grau en Streifen des Morgens erscheinen. Eine junge Schleiereule auf Frühstückssuche flatterte in Höhe der Grasspitzen unbeholfen über den bereiften Hang. So viele gemeinsame Morgendämmerungen, dachte ich. So viel Leben an einen einzigen Mann verschwendet. Larry ist für mich gestorben, ob ich ihn getötet habe oder nicht, und ich bin für ihn gestorben. Es bleibt nur die Frage: Wer ist für Emma gestorben?
    Ich ging an den Tisch zurück, vertiefte mich aufs neue in meine Papiere, und als ich mir ins Gesicht faßte, fühlte ich dort zu meiner Überraschung einen Sechsunddreißig-Stunden-Bart. Ich blinzelte in meiner geheimen Zuflucht umher und zählte die Kaffeetassen. Ich befragte meine Uhr und wollte nicht glauben, daß es drei Uhr nachmittags war. Aber die Uhr ging richtig, die Sonne fiel bereits durch die südwestliche Bogenscharte. Ich durchlebte keine taghelle Nacht in Helsinki, ich lief nicht in einem Hotelzimmer auf und ab und betete um Larrys sichere Rückkehr aus Moskau, Havana oder Grosny. Ich war hier in meinem Versteck und hatte ein paar Fäden herausgetrennt, aber noch keinen Strick daraus gedreht.
    Als ich um mich sah, fiel mein Blick in eine Ecke meines Reichs, zu der ich nach eigenem Beschluß keinen Zugang hatte, eine Nische, zugehängt mit einem Verdunkelungsvorhang, den ich auf dem Dachboden gefunden und davorgenagelt hatte. Diesen Winkel nannte ich Emmas Archiv.
    ***
    »Ihre liebe Emma ist schon ein tolles Mädchen«, erklärt Merriman mit Behagen, nachdem ich zwei Wochen zuvor meiner Pflicht Genüge getan und ihm den Namen meiner zukünftigen Lebensgefährtin genannt hatte. »Für niemanden ein Risiko, das wird Sie freuen, außer wahrscheinlich für Sie. Möchten Sie einen winzigen unverbindlichen Blick in ihre Bio werfen, bevor Sie sich da reinstürzen? Ich habe Ihnen ein kleines Bündel zusammengepackt, das Sie mit nach Hause nehmen können.«
    »Nein.«
    »Ihre entsetzliche Herkunft?«
    »Nein.«
    Das Bündel, wie er es nennt, liegt bereits zwischen uns auf dem Schreibtisch, eine namenlose hellbraune Din-A4-Mappe, aus der ein halbes Dutzend Seiten namenlosen weißen Papiers hervorsehen.
    »Ihre fehlenden Jahre? Ihre exotischen Auslandsreisen? Ihr skandalöses Liebesleben, ihre absurden Anliegen, ihre Barfußmärsche und Einsätze als Streikposten, ihr ewiges Mitleid mit allem und jedem? Bei manchen dieser jungen Musiker heutzutage fragt man sich, woher sie noch die Zeit nehmen, ihre Tonleitern zu lernen.«
    »Nein.«
    Wie sollte er auch verstehen können, daß Emma mein selbstauferlegtes Sicherheitsrisiko ist, meine neue Offenheit, mein Glasnost-Mädchen? Ich möchte keine gestohlenen Informationen über sie, nichts, das sie mir nicht aus freien Stücken erzählt. Dennoch, zu meiner Schande nehme ich, wie von ihm vorausgesehen, die Akte und klemme sie mir wütend unter den Arm. Mein alter Beruf läßt mich eben einfach

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