Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
öffentlich berühren. Der Deutschen Bank hat man erst jüngst eine 500-köpfige Einsatztruppe ins Haus geschickt, die mit Maschinenpistolen im Anschlag eine Durchsuchung durchführte. Und überm Dach kreiste der Helikopter. Aus Sicht der Politik war das eine gelungene Verwirrveranstaltung, weil sich die Nähe von Regierung und Bankenspitze, das unauflösbare Band, das Kreditgeber und Schuldner verbindet, auf diese Art dementieren ließ. Und dass der Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen auch noch den hessischen Ministerpräsidenten anrief, um ihm angesichts eines martialischen Polizeiaufgebots sein Missfallen kundzutun, gab den Politikern die Möglichkeit, mediale Nebelkerzen zu werfen. Der » böse Bube « ist wieder der andere.
So geht das seit Jahren: Im Scheinwerferlicht der TV -Kameras bespottet, verachtet und bekämpft man sich, sodass niemand, und zuweilen nicht einmal die Beteiligten selbst, auf die Idee käme, sie würden gemeinsame Sache machen. In Wahrheit aber greift diese neue Spezies, der ökonomische Bastard, die nie erklärte Allianz von Regierungspolitikern, Notenbankgouverneuren und Mitgliedern der Hochfinanz, die Grundlagen unseres Wohlstandes an. Es ist der friedlichste Angriff der Weltgeschichte, ein Angriff ohne Angriffsplan, eine Verschwörung ohne Verschwörungstheorie mit dem nie verabredeten, aber gleichwohl konsequent verfolgten Ziel, unseren Wohlstand, der ein » Wohlstand für alle « sein sollte, zu schmälern und die Marktwirtschaft in ihrer bisher gültigen Form zu beschädigen. Konfrontieren wir die heutige Wirklichkeit mit den Lehrsätzen unserer Studentenjahre, fallen vier Unterschiede ins Auge:
1. Der Staat ist für die Schwachen da, hieß es damals. Heute können wir Sloterdijk kaum widersprechen, der nach serieller Bankenrettung feststellt: » Der Staat bietet Sozialismus für die Großen « .
2. Risiko und Verantwortung sind untrennbar miteinander verbunden, das sei das Wesen der Marktwirtschaft. So hieß es gestern. Heute gibt es von Beamten geführte Listen, auf denen steht, welches Geldhaus als » systemrelevant « gelten darf und damit freien Zugang zu den Schatzkammern der Steuerzahler besitzt. Verantwortung und Risiko sind entkoppelt – jedenfalls für die Geldwirtschaft.
3. Die unabhängige Notenbank garantiert die Stabilität des Geldes, und sonst gar nichts. So steht es noch heute in den Statuten der Europäischen Zentralbank. Doch die hält sich nicht mehr daran. Die Finanzierung von Staaten durch Aufkäufe von ansonsten unverkäuflichen Staatsanleihen und die Bereitstellung unbegrenzter Liquidität an Geldhäuser mit Bilanzproblemen zählen zu den neuen Selbstverständlichkeiten.
4. Das Budgetrecht, also das Recht, über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu befinden, liegt seit Bismarcks Zeiten beim Parlament. Man nennt es das » Königsrecht der Abgeordneten « . Heute teilen sich die Parlamentarier dieses Königsrecht mit dem in Luxemburg angesiedelten Rettungsschirm ESM , der über das vielfache Kapital eines Staatshaushaltes verfügt.
Nicht wenige haben Mühe, diesen Staat noch als den ihren zu erkennen und zu akzeptieren, nachdem er Banker und Bürger so erkennbar unterschiedlich behandelt. Das herrschende Wirtschaftssystem ist, freundlich formuliert, ethisch unscharf geworden, seit nicht mehr für alle die gleichen Regeln gelten. Die Bastardökonomie, mit ihrem direkten Zugriff auf die Staatskasse, sichert für den Moment zwar Stabilität. Aber sie risikiert das in Jahrzehnten aufgebaute Vertrauenskapital. Und sie verzehrt Zukunft. Sie ist zur Zeit der größte Feind unseres Wohlstands.
Warum die Bastardökonomie die Marktwirtschaft verformt
Es klingt absurd, aber so ist es derzeit: Die Verformung der Marktwirtschaft legt man der Marktwirtschaft selbst zur Last. Man hält ihr vor, dass sie geschändet wurde. Die bildungsfernen Schichten in den Handelssälen der Investmentbanken, die außer Hörweite des Sozialen ihren Geschäften nachgehen, werden in eins gesetzt mit dem Unternehmer, der forscht, herstellt und verkauft. » Die Linke hatte Recht « , rief kürzlich Charles Moore, Biograf und Gefolgsmann von Maggie Thatcher. Viele stimmten ihm zu.
Die innere Abkehr von der Marktwirtschaft ist keine deutsche Besonderheit. Überall im Westen werden wir Zeitzeugen, wie die einst innige Beziehung der Eliten zu dem sie umgebenden Wohlstandssystem erodiert. Abfällig spricht man bereits von der »Marktdemokratie«, womit eine Demokratie zweiter Klasse
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