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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Mark mit Tasche. Und die Tasche ist doch heil, nicht wahr? Ohne kostet er fünfundzwanzig, minus fünfzehn Prozent – du bist mir also einundzwanzig fünfundzwanzig schuldig. Siehst du, deine Schulden verringern sich von Minute zu Minute. Und hier hast du ein bißchen zum Knabbern – ich kam an der Süßwarenabteilung vorbei, und da saß Fräulein Mogensen und sah so enttäuscht aus, als ich Miene machte, vorüberzugehen, ohne etwas zu kaufen. Ich mußte mich also erbarmen!“
    „Onkel Peter – ich weiß überhaupt nicht, wie ich dir danken soll.“
    „Ich werde Bescheid sagen, wenn eine Gelegenheit dazu kommt. Jetzt müssen wir sehen, wie wir dich nach Hause bekommen. Am besten setzen wir dich wohl in ein Taxi. Und ich muß dich außerdem durch den hinteren Ausgang lotsen, damit das Publikum nicht etwa denkt, du bist unser neues Mannequin, das die allerletzte Mode für Teenager vorführt!“
    „Aber der Schlüssel, Onkel Peter?“
    „Himmel, ja – der Schlüssel! Den habe ich ganz vergessen. Nun gut, ich laufe schnell zu deiner Mutter hinauf und hole ihn, und ich werde ihr klarzumachen suchen, daß du dich in deinem augenblicklichen Aufzug nicht dafür eignest, in Freiheit vorgeführt zu werden. Jedenfalls nicht in Wederholms Warenhaus. Aber von dem Apparat sagen wir also nichts!“
    Wieder wartete Claudia, und Onkel Peter kam mit dem Schlüssel zurück und vielen Grüßen von Mutti.
    „Deine Mutter hatte in der einen Hand eine Windel und in der anderen eine Jungenhose, sie konnte gar nicht abkommen“, lächelte Onkel Peter. „Aber ich soll herzlichst grüßen und bestellen, du seiest ein richtig schusseliges, kleines Schlüsselblümchen!“ Claudia versetzte es einen Stich.
    Mutti hätte doch Onkel Peter nichts von dem Kosenamen zu erzählen brauchen. Der ging niemandem etwas an, nur Mutti und sie selbst.
    Kurz darauf saß Claudia in einem Taxi, Schlüssel und Geld fest in der Hand haltend.
    „Komm gut nach Haus, Kleines! Du einsames Schlüsselblümchen!“
    Es kam wohl daher, daß es im Auto halbdunkel war – aber Claudia kam es so vor, als seien Onkel Peters Augen ganz blank.

Was mag wohl in dem Brief stehen?
     
     
    Die Weihnachtsferien hatten begonnen. Für Claudia bedeutete das mehr Arbeit als Ferien. Denn in diesen letzten Tagen vor dem Fest war Mutti bis spät abends im Geschäft, und Claudia war den ganzen Tag allein. Mutti hatte kaum Zeit und Kraft, alles aufzuschreiben, was Claudia einholen sollte. Und es verstand sich von selbst, daß es Claudias Amt war, auf den Boden zu gehen und den Fuß für den Weihnachtsbaum und den Baumschmuck herunterzuholen, daß es ihr Amt war, den Baum zu schmücken, und ihre Aufgabe, den Weihnachtstisch zu decken.
    In diesen Tagen mußte Claudia sich auch selber das Mittagessen machen, denn Mutti aß in der Stadt.
    Claudia saß am Eßtisch und ordnete den Baumschmuck. Sie lächelte. Da war die ulkige, schiefe kleine Fahne, die sie selbst verfertigt hatte, als sie ganz klein war. Da waren die bunten Glanzpapierkörbchen, die sie im Kindergarten geflochten hatte. Da waren die Nüsse und die Zapfen, die sie und Mutti einmal vor vielen Jahren vergoldeten.
    Claudia schrieb „Kerzen und Engelhaar“ auf ihren Merkzettel. Der lag auf dem Schreibtisch bereit, und jedesmal, wenn Claudia etwas einfiel, das besorgt werden mußte, lief sie hinüber in die Ecke und schrieb es auf.
    Sie blieb einen Augenblick stehen und blickte auf den Brief, der neben dem Merkzettel lag. Ein steifer, weißer Briefumschlag mit der Adresse „Frau Anita Keller“, in der klaren, deutlichen Handschrift des Direktors geschrieben. Er hatte ihr den Brief heute, am ersten Ferientag, mit nach Hause gegeben. Was in aller Welt mochte der enthalten?
    Claudia forschte in ihrem Gewissen. Aber sie fand wirklich keine nennenswerten schwachen Stellen. Sie hatte gestern in der Stunde geschwatzt, das stimmte, und Fräulein Röder hatte sie aufgerufen. Aber deswegen bekam man doch keinen feierlichen Brief mit! Einmal in der vorigen Woche war sie zu spät gekommen und ins Klassenbuch eingeschrieben worden. Aber das war doch auch nicht weiter gefährlich! Und mit ihren Zeugnissen und den Leistungen konnte es schon gar nichts sein, denn sie hatte die Klassenarbeiten für die Weihnachtszensur ganz ohne Fehler geschrieben, sie war ja ausgesprochen die Beste in der Klasse.
    Claudia stand da und starrte den Brief an und runzelte die Brauen. Dann fuhr sie zusammen. Es hatte geklingelt. Diesmal brauchte sie nicht

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