Unsere Claudia
Mutti und Onkel Peter war Claudia freundlich und höflich, wenn sie auch einsilbig geworden war.
„In einer Stunde müßten wir in Eulenstedt sein“, sagte Onkel Peter. Es war schon dunkel geworden, und der Strahl der Scheinwerfer lief vor ihnen her.
„Und nun wirst du die strenge Schwiegermama kennenlernen“, lächelte Anita.
„Ja, ich bibbere schon davor“, lachte Onkel Peter. „Aber im Grunde kann ich es ja auch verstehen, wenn sie der Meinung ist, ich sei nicht gut genug für dich.“
„Was du für einen Unsinn redest!“ lachte Anita. Claudia lauschte auf Muttis Stimme. Sie klang so jung, so hell – die ganze Mutti war eine andere geworden, jünger und sorgloser.
Und merkwürdigerweise nahm Claudias Eifersucht dadurch nur noch zu.
Ein reifer, erwachsener, erfahrener Mensch kann es hin und wieder schwer genug haben, aus sich selber schlau zu werden. Wie viel schwieriger ist es dann für ein unerfahrenes Mädelchen von dreizehn Jahren! „Da wären sie!“ Eine Tür wurde aufgerissen, und durch den winzig kleinen Vorgarten, der weiß und verschneit dalag, lief eine weibliche Gestalt. Sie stieß die Gartenpforte auf, und kaum daß Mutti aus dem Wagen gestiegen war, wurde sie auch schon umarmt.
„Mein Schwesterlein – wie herrlich, dich wiederzusehen – du siehst aus wie eine Achtzehnjährige! Und herzlichen Glückwunsch, Anita! Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue – hallo, Claudiakind, ih du liebe Zeit, wie bist du groß geworden – lauf hinein zu Großmama, sie platzt vor Ungeduld! Und da haben wir den Peter – so siehst du also aus, lieber Schwager? Ja, ich bin also Helga, daß du’s weißt. Herzlich willkommen! Kommst du gleich mit herein, oder willst du erst den Puppenwagen in die Garage fahren? Hätte ich eine Ahnung gehabt, wie groß der ist, dann hätte ich eine Hundehütte dafür bestellt, war’ ja ohne weiteres gegangen – aber dort drüben im Hotel“ – Tante Helga zeigte mit dem Finger – „ist ein Zimmer für dich bestellt – und eine Garage.“
Onkel Peter lächelte und reichte seiner lebhaften Schwägerin die Hand.
„Vielen Dank für all die Fürsorge – das Auto stelle ich eigentlich immer auf meinen Nachttisch, liebe Schwägerin! Also, ich rolle zum Hotel und bringe mich ein bißchen in Ordnung. Darf ich in einer halben Stunde wiederkommen?“
In der offenen Haustür stand Großmama und schloß Claudia in ihre Arme.
„Nein, so was, daß ihr wirklich kommen konntet – herzlich willkommen, Claudia… hallo, da haben wir auch unsern unruhigen Strick – leg dich, Anka – “
Damit war Großmamas kleiner Rauhhaardackel gemeint, der sich ebenfalls bemerkbar machen wollte. Mit seinen kleinen, kurzen Pfoten kratzte er an Claudias Mantel und kläffte aufgeregt und neugierig.
„Du bist aber dünn geworden, Kind – ißt du nicht ordentlich?“ fragte Großmama. „Oder nimmst du nur in der Höhe zu, und für die Breite reicht es nicht? Du solltest dir an Anka ein Beispiel nehmen 1“
Claudia lächelte. Ja, es war nicht zu bestreiten, bei Anka war es umgekehrt. Sie war über dem Rücken riesig breit geworden, und es wurde ihr gar nicht leicht, sich auf die Hinterläufe zu erheben und mit den Vorderpfoten zu kratzen.
Claudia hockte im Hausflur auf der Erde und kraulte Anka hinterm Ohr, als Mutti und Tante Helga hereinkamen.
Und hinter sich hörte sie Großmama sagen: „Ich bin so glücklich deinetwegen, Anitachen. Es war das beste Geburtstagsgeschenk, das du mir machen konntest.“
Claudia neigte sich tiefer über den Hund und fuhr fort, ihn zu streicheln und zu kraulen. Alle waren glücklich. Mutti und Onkel Peter und Großmama und Tante Helga, ja, Anka sogar auch.
Weshalb konnte sie es denn nicht sein?
Claudia fühlte sich einsamer als je zuvor.
Es war Abend.
In dem großen Sessel unter der Leselampe saß Großmama, lächelnd und glücklich, die Familie um sich zu haben. Ihr gegenüber im Ecksofa saßen Mutti und Onkel Peter.
Claudia und Tante Helga hatten den Abendbrottisch abgedeckt, und Claudia hatte vorgeschlagen, daß sie in aller Heimlichkeit abwaschen sollten, damit Großmama keinen Gedanken daran zu verschwenden brauchte.
„Du bist schon ein Mädel, Claudia“, lächelte Tante Helga freundlich. „Ehe meine Tochter, diese Rumtreiberin, auf solche Gedanken käme, müßte schon der Himmel einstürzen!“
„Aber Tante Helga – nennst du Karin eine Rumtreiberin?“
„Das geschieht nur aus Liebe“, lächelte
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