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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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ich in einer Woche nach Hause fahre!“
    „Ach…“ sagte Claudia.
    „Im Ernst! Schwänze ein paar Monate die Schule, es wird dir guttun, du dünnes Gestell! Du bist sicher blutarm, nicht wahr? Ja, dachte ich es mir nicht! Und was tut man mit blutarmen Kindern? Man schickt sie zur Erholung weg! Komm mit nach Stockholm, da werden wir dir schon Fett auf deine Knochen bringen. Und wenn du wieder nach Hause zurückkommst, dann sind die andern in deiner Klasse so viel weitergekommen, daß du dich anstrengen mußt, um sie einzuholen, und dann macht es Spaß, in die Schule zu gehen!“
    Claudia saß mit offenem Munde da. Es hörte sich tatsächlich so an, als ob Tante Helga wirklich meinte, was sie sagte. „Tante Helga – du meinst das doch nicht im Ernst…?“
    „Doch, du kannst dich drauf verlassen, daß ich das tue, mein Kind! Nie in meinem Leben habe ich es so ernst gemeint! Und eins wirst du bald heraushaben: Was ich mir vornehme – das führe ich auch durch!“

Dem Schneeland entgegen
     
     
    Claudia stand auf dem Achterdeck der Großenbroder ^ Fähre „Deutschland“, ihre Augen waren unverwandt auf den Küstenstreifen gerichtet, der mehr und mehr im Dunst versank. Es war bitterkalt. Aber Claudia trug eine Strickjacke unter dem warmen Dufflecoat und lange Hosen, die Füße staken in wollenen Strümpfen und festen Halbschuhen.
    Sie spürte die Kälte nicht. Sie stand nur da und war von einem eigentümlichen Gefühl beherrscht, als sie ihr Vaterland so versinken sah, einfach ins Meer eintauchen als grauweißen Streifen.
    Hinter diesem Streifen – irgendwo weit dahinter – ging ihre Mutter in einer Wohnung umher, die sich in Auflösung befand. Claudia war froh, daß sie das nicht mitzumachen brauchte. Wenn sie einmal nach Deutschland zurückkehrte, würde sie in eine neue, fix und fertige Wohnung kommen. Und die liebe Wohnung in Nummer achtzehn würde sie im Gedächtnis behalten, so wie sie gewesen war mit dem guten alten Möbeln, mit Bildern und Lampen und allen Dingen an ihrem Platz. Nicht mit Flecken an den Wänden von den Bildern, nicht mit Kisten und Holzwolle und Fenstern ohne Gardinen.
    Arme Mutti, sie mußte nun die ganze Arbeit mit dem Umzug allein machen! Allein? Unsinn. Nichts brauchte sie mehr allein zu machen, denn Mutti hatte Onkel Peter.
    Wieder lief ein Zucken über Claudias Gesicht. Und wieder mußte sie denken, wie leicht und einfach alles geregelt worden war. Als Tante Helga mit ihrem Vorschlag herausrückte, hatte Großmama sofort gesagt: „Das ist eine ausgezeichnete Idee, Helga – nein, wie nett für Claudia und Karin, daß sie sich endlich einmal richtig kennenlernen!“ Onkel Peter hatte gesagt: „Und wenn du zurückkommst, Claudia, erwarte ich von dir, daß du Meisterin im Kunstlauf geworden bist. In Stockholm hast du die allerbeste Gelegenheit, Wintersport zu treiben!“ – und Mutti hatte sie mit blanken Augen angesehen.
    „Das ist sicher ein ausgezeichneter Vorschlag und furchtbar lieb von dir, Helga – aber Himmel, wie werde ich dich vermissen, mein Kind! – “
    Oh, wie war es schön, das zu hören! Das verlieh Claudia gewissermaßen ein Gefühl von Ruhe, verlieh ihr gleichsam Mut zur Reise. Mutti hatte durchaus nicht den Wunsch, sie loszuwerden – sie würde sie vermissen!
    Aber Mutti hatte auch nicht Einspruch dagegen erhoben, daß sie reiste.
    „Über eins bin ich froh“, hatte Mutti gesagt. „Daß du die ganze Umzieherei nicht mitzumachen brauchst!“
    Und dann war da noch etwas, was Mutti nicht gesagt hatte, was überhaupt niemand gesagt hatte: Es ist gut für Claudia, daß sie bei der Hochzeit nicht dabei ist.
    Claudia sagte es sich mindestens zum fünfzigsten Male selber: Onkel Peter ist so gut. Onkel Peter und Mutti haben sich so gern. Sie sind so glücklich. Aber für mich bedeutet es, daß ich mein altes Zuhause verliere. Ich verliere alles das, was nur Mutti und mir gehört hat.
    O doch, es war gut, daß sie jetzt wegfuhr, wenn ihr die Sehnsucht nach Mutti auch das Herz abdrückte – und schon jetzt, nach so ein paar Stunden der Trennung! Onkel Peter hatte ihr zum Abschied kräftig die Hand gedrückt.
    „Laß es dir gut gehen, Claudia. Wir werden furchtbar oft an dich denken. Und wir freuen uns jetzt schon mächtig darauf, wenn du erst wieder zu uns zurückkommst. Wenn sie in Stockholm häßlich zu dir sind, dann schreib, und du kannst mir glauben, deine abscheuliche Tante kriegt es dann mit mir zu tun! Dann wirst du im Eilbrief an uns

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