Unsere Claudia
trainieren wollten.
„Hat Ulla kein Telefon?“ fragte Onkel Bo abends.
„Doch“, entgegnete Karin. „Ich läute sofort an!“ Sie ging zum Apparat, und Claudia mußte lächeln. Ihr fiel plötzlich ein, was sie gesagt hatte, als sie Tante Helga das erste Mal hatte telefonieren sehen: „Ihr habt den gründlichsten Linksverkehr, den man sich denken kann, sogar die Nummernscheibe am Telefon geht links ‘rum!“ Am andern Ende der Leitung war das Klingelzeichen zu hören – alle hielten den Atem an. Jetzt wurde der Hörer abgenommen. Und Karin sagte:
„Guten Tag, Ulla. Hier ist Karin.“ Es folgte ein unverständliches Gemurmel. Dann ein Klicken. Der Hörer war aufgelegt worden. Karin schäumte vor Wut.
„So eine freche Lügnerin! Denkt euch, erst antwortet sie ,Lundberg bitte’, und ich kenne doch Ullas Stimme - und hinterher sagt sie ,falsch verbunden’ und legt mir nichts dir nichts wieder auf. Was sollen wir machen, Papa?“
„Zunächst einmal, meine ich, sollten wir gar nichts machen, Karin. Du bist mir etwas zu empört. Ich kann dich wirklich sehr gut begreifen, aber ich glaube nicht, daß du dich im Augenblick für eine sachliche und ernste Unterhaltung eignest. Dagegen meine ich, daß Claudia und ich Ulla aufsuchen sollten. Denn was sie getan hat, ist nicht mehr und nicht weniger als ein gemeiner Diebstahl.“
„Diebstahl, ja!“ sagte Karin. „Sie klaut Claudias Kopfzerbrechen bei dieser Aufgabe, und sie klaut die Ehre, die eigentlich Claudia zukommt, und den Preis klaut sie auch!“
„Das wissen wir noch nicht“, sagte Onkel Bo. „Vielleicht hat sie die Absicht, den Preis mit Claudia zu teilen. Weißt du, wann Ulla daheim zu sein pflegt, Karin?“
„Am sichersten, glaube ich, so um drei, halb vier“, meinte Karin.
Am nächsten Tag Viertel nach drei läutete Onkel Bo an der Tür einer Wohnung in einer großen Mietskaserne, die am Stadtrand lag. Die Flure waren lang und die Türen alle braun, und da erinnerte sich Claudia lebhaft an Nummer achtzehn.
Es dauerte etwas, bis geöffnet wurde. Blitzschnell streckte Onkel Bo die Hand aus und hielt die Tür fest. „Guten Tag, Ulla, ich hätte dich gern einmal gesprochen.“
Ullas Augen irrten hin und her. Sie stand auf dem Vorplatz, unsicher, wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton heraus. Sie hatte eine Küchenschürze vorgebunden und ihre Hände waren naß.
Plötzlich ertönte aus der Küche ein zischendes Geräusch. „O weh, es kocht über – “, wie der Wind war Ulla in der Küche, und unterdes zog Onkel Bo Claudia in die Wohnung hinein und schloß hinter ihnen die Tür.
Jetzt kam Ulla wieder.
„Du bist wohl allein zu Haus?“ fragte Onkel Bo.
Ulla feuchtete die Lippen an.
„Ja“, sagte sie nur.
„Dann finde ich, du solltest uns hereinbitten“, sagte Onkel Bo. „Wir reden dann besser miteinander, meinst du nicht?“
Wortlos öffnete Ulla die Tür zum Wohnzimmer. Sie murmelte eine Entschuldigung, weil es hier nicht besonders aufgeräumt aussah.
„Ich wollte gerade Ordnung machen“, sagte sie. Claudia war sonderbar berührt.Dawar etwas an der Luft in dieser Wohnung, etwas an der Atmosphäre, in der ein Mädchen allein herumging und Ordnung machte, das Claudia rührte, etwas, das ihr so bekannt vorkam und das sie jetzt mit ganz neuen Augen sah.
Dann begann Onkel Bo zu sprechen. Er fragte Ulla geradeheraus, welche Bewandtnis es mit diesem Preisausschreiben habe.
„Ja – gewiß doch“; Ulla gab unumwunden zu, daß Claudia ihr geholfen habe. „Aber…“
„Aber?“ wiederholte Onkel Bo. Ulla warf den Kopf zurück.
„Es wird einem bei solchen Aufgaben doch so oft geholfen – da ist doch nichts Unehrliches dabei?“
„Nicht die Spur“, erwiderte Onkel Bo. „Aber wie war es doch gleich, Ulla – Karin meinte sich zu erinnern, daß du diese Aufgabe nie hättest allein lösen können, und daß du die Lösung sowohl in deinem als auch in Claudias Namen einschicken wolltest?“
„Ich wußte doch nicht, daß Claudia etwas daran lag – ich dachte, sie hätte nur so ein bißchen aus Spaß geholfen…“
„Höre mir mal zu, Ulla“, sagte Onkel Bo, und seine Stimme war sehr ernst. „So geht es nun nicht! Du hast Karin und Claudia in den letzten Tagen geflissentlich gemieden. Weshalb? Du hast den Hörer aufgelegt, als Karin dich gestern anläutete. Weshalb? Du hast ein schlechtes Gewissen, Ulla, und mit Recht. Was du getan hast, nenne ich Diebstahl. Du hast Claudias Arbeit gestohlen und sie als die deine
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