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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia
Autoren: Berte Bratt
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zurück und würde in eine moderne Küche gesteckt – die würde wohl große Augen machen.
    „Möcht’ mal wissen, ob unsere Wohnungen in einigen hundert Jahren ausgestellt werden“, sagte Claudia plötzlich. „Und ob die Urenkel der Enkel unserer Urenkel sonntags hier herumgehen und über das lächeln, was wir heute praktisch und modern finden.“
    „Und dann sagen sie ,Nein, nun brat mir einer ‘n Storch, das soll ein Küchenmotor sein?’ – und ,nein, seht bloß, damals bereiteten sie das Essen zu, indem sie es stundenlang kochten’; das war zu der Zeit, bevor man es nur eine Sekunde bestrahlte“, sagte Onkel Bo.
    „Und dann schauen sie sich unsere Autos an und nennen sie reizende, idyllische altmodische Fuhrwerke“, sagte Tante Helga.
    „Und über unsere Flugzeuge schütteln sie den Kopf und sagen, ja, damals hatte man noch viel Zeit, man stelle sich das vor, die fanden es ganz in Ordnung, daß man für eine Reise von Frankfurt nach Rio gute vierzehn Stunden brauchte – und dann fragen sie sich gegenseitig, wo sie in diesem Sommer hinfahren, und der eine fährt dann auf den Mars und der andere zum – zum – ja, welcher Planet ist uns am nächsten?“ sagte Onkel Bo.
    „Die Venus“, sagte Claudia. „Du weißt doch, Merkur, Venus, Erde, Mars, Saturn.“
    „Du mit deinem Patenthirn“, sagte Onkel Bo. „Ich glaube, ich ernenne dich zum Lexikon der Familie!“
    „Wozu wird Claudia eigentlich nicht ernannt?“ fragte Karin schnippisch.
    „Zum Sportstern“, sagte Onkel Bo. „Und zum Koch.“
    „Dann gibt es also wirklich etwas, das Claudia nicht kann?“ murmelte Karin – worauf niemand antwortete…
    Prachtvolle Pfauen lustwandelten geruhsam auf den Wegen dahin, ohne sich durch das Publikum stören zu lassen. Wohlgenährte Gänse kamen angewatschelt und steckten vorwitzig die Schnäbel in die Taschen der Leute, Enten hüpften auf die Bänke hinauf, ja, ganz bis auf den Schoß und die Knie der dort Sitzenden, und erbettelten sich Leckerbissen.
    Claudia lachte, daß es gluckerte. Sie saß auf einer Bank und hielt eine Tüte mit altem Brot in der Hand. Langsam kamen die Tiere heran; eine große Gans zwickte und zwackte sie am Ärmel, zwei Kaninchen kamen angehoppelt und starrten erwartungsvoll die Brottüte an – und da –, mit einemmal zuckte Claudia zusammen. Etwas Lebendiges, Weiches, Warmes streifte ihre Wange, zwei kräftige kleine Pfoten klammerten sich an ihrer Schulter fest – weiches Fell und kleine Krallen –, ein zottiger Besen kitzelte sie im Nacken.
    Das Eichhörnchen! Das heißersehnte Eichhörnchen saß auf ihrer Schulter, und jetzt kam es schnell wie ein Blitz über ihre Brust gehuscht und blieb auf ihrem Knie sitzen, wo es zum Angriff auf die Brottüte überging.
    Claudia jauchzte vor Wonne. Da kam wahrhaftig ein zweites. Ach nein – etwas so Lustiges und Possierliches hatte sie noch nie erlebt –, ihr Herz klopfte vor Freude. Und mit einemmal fühlte sie, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen – und zwar mit solcher Plötzlichkeit, daß sie sie nicht zurückzuhalten vermochte.
    „Aber Claudia, mein Kind…“ sagte Tante Helga. Claudia lächelte durch die Tränen.
    „Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist, Tante Helga – dies ist das Süßeste, was ich je erlebt habe… es ist nur so traurig, daß Mutti das nicht mit mir zusammen erleben kann –, ich kriege bloß plötzlich solch eine schreckliche, solch eine ganz schreckliche Sehnsucht nach Mutti…“
    „Das nächste Mal bringst du sie mit hierher“, sagte Onkel Bo, und seine sichere, ruhige Stimme brachte Claudias Tränen zum Stillstand. „Stell dir das mal vor, wenn du zwischen deiner Mutti und Onkel Peter hier umherspazierst, und du bist dann schon mit allem bekannt und kannst ihnen alles zeigen und ihnen von alter schwedischer Bauernkultur erzählen…“
    „… und Onkel Peter an den Schandpfahl stellen!“ lachte Claudia. Ihr Herz klopfte. Ja, wenn das einmal Ernst werden könnte! Wenn sie wirklich hierher zurückkehren könnte – mit Mutti und Onkel Peter –, wenn sie hier mit ihren Eltern zusammen herumgehen könnte, so wie Karin – so ganz selbstverständlich, nicht als Gast, nicht als Nichte, sondern als Tochter…
    Claudia lächelte. Sie hatte selber keine Ahnung, daß sie „Eltern“ gedacht hatte und nicht nur „Mutti“.
    Endlich wurde Karin für ihre Geduld belohnt. Sie zogen zum „Bärenhügel“ und sahen braune und schwarze Bären und standen Schlange, um den jungen Eisbären zu
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