Unsere Claudia
dritten Preis gewonnen hast, und da hat sie sich furchtbar gefreut, nicht wahr – und dann hat sie gesagt: ,Denk nur, Ulla, jetzt kannst du deine Mutter zu einer Flugreise einladen.’ – War es nicht so?“
Ulla nickte. Sie richtete die verweinten Augen mit einem fragenden Ausdruck auf Claudia.
„Und du wolltest diese Reise so schrecklich gern mit deiner Mutter zusammen machen – und es hat dich gewurmt, daß du gezwungen sein solltest, den Preis mit mir zu teilen – und da sagtest du ,ja’ zu deiner Mutter, und du würdest diese Reise nach Norwegen sehr gern mit ihr zusammen machen…“
„Ja, Claudia, aber…“
„Und so hast du vielleicht auch in deinem tiefsten Innern gedacht, als du die Lösung einschicktest. Das hast d*t gedacht, wußtest aber vielleicht selber gar nicht, was du dachtest.“
„Ja – genauso war es, Claudia – aber wer hat dir denn das alles erzählt?“
Da lächelte Claudia. Sie streckte die Hand nach dem Schlüssel auf dem Schreibtisch aus, sie ließ ihn vor Ullas Gesicht baumeln.
„Der da“, sagte Claudia.
Ulla hatte die rotverweinten Augen gebadet. Jetzt saß sie Claudia gegenüber und richtete den Blick auf sie.
„Bist du auch wirklich nicht böse?“ fragte sie.
„Nein, Ulla, keine Spur.“
„Aber die Oslo-Reise mit dem Flugzeug…“
„Die gehört mir. Das stimmt. Aber ich schenke sie dir! Ich schenke sie dir, damit du sie deiner Mutter schenken kannst.“
„Ja, aber Claudia…“
„Ich tu’ es furchtbar gern, Ulla. Ich finde es wirklich wunderschön, daß du diese Reise mit deiner Mutter machen kannst.“
„Ja, aber du selber…?“
Da lächelte Claudia, es war ein großes und glückliches Lächeln.
„Mit mir hat’s keine Not“, sagte sie. „Ich kann ein andermal so eine Reise machen. Mit meiner eigenen Mutter. Und mit Onkel Peter.“ Es entstand eine kleine Pause.
„Was wirst du zu Karin sagen?“
„Du hättest zugegeben, daß es häßlich von dir war, und sonst sage ich nur, daß wir uns wieder versöhnt hätten und alles o. k. wäre. Denn das ist es doch, Ulla, nicht?“ Da lächelte Ulla mit zitternden Lippen, ganz wenig.
„Du bist wunderbar, Claudia“, sagte sie.
„Nein“, sagte Claudia. „Ich bin nur ein – ein… ehemaliges Schlüsselkind!“
„Ich muß aber jetzt gehen“, sagte Claudia. „Sie machen sich sonst noch Sorgen meinetwegen.“
„Und ich muß die Wohnung in Ordnung bringen“, sagte Ulla. „Der Staub liegt hier drinnen fingerdick, und ich habe noch einen Berg schmutziges Geschirr in der Küche stehen.“
„Eins mußt du noch tun“, sagte Claudia. „Mach ein lauwarmes Fußbad für deine Mutter zurecht. Nichts ist so gut, wenn man mit schmerzenden Füßen nach Hause kommt.“
„Das werde ich aber bestimmt tun“, sagte Ulla. Claudia zog den Mantel an und öffnete die Wohnungstür.
Sie war schon draußen und wollte die Tür eben hinter sich zuschlagen, da steckte sie noch einmal den Kopf durch den Türspalt und lächelte.
„Mit Fußsalz darin!“ sagte sie. Und dann fiel die Tur hinter ihr ins Schloß.
Claudia geht ein Licht auf
Claudia klappte das Englischbuch zu. Sie war mit der „Schulaufgabe“ des Tages fertig – der Schulaufgabe, die sie sich selber aufgab und die sie gewissenhaft jeden Tag machte. Sie hatte sich bis jetzt sehr gut auf eigene Faust weitergebracht. Nur in Mathematik – da könnte sie einen Lehrer ganz gut brauchen. Uiid wie lange war es her, seit sie einen Aufsatz geschrieben hatte! Sie würde sicher tüchtig nachholen müssen, wenn sie erst wieder in der Schule war!
Wie weit sie wohl in der Klasse gekommen waren?
Übermorgen war Sonntag. Da würde vielleicht die ganze Klasse einen Ausflug mit Fräulein Röder machen! Daheim war jetzt Frühling. Vielleicht blühten schon die weißen Buschwindröschen. In den Gärten war der Rasen blau von Krokus, und die Obstbäume hatten bereits Knospen.
Claudia blickte aus dem Fenster. Es tropfte und rieselte von den Dächern. Immer noch lagen an vielen Stellen Schneeklumpen, und die Luft war scharf und kalt.
April – April mit Regen und Sonne und mit heftigen Frühlingsstürmen. April in Schweden. April im Norden.
Daheim war Frühling…
Was sie wohl am kommenden Sonntag unternehmen würden? Am vorigen Sonntag war Claudia mit Onkel und Tante und Karin in Uppsala gewesen. Sie hatten sich den Dom angesehen und in einer ulkigen kleinen Studentenkneipe etwas gegessen. Und Onkel Bo hatte vom studentischen Leben und den
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