Unsere feuerrote Hexe
sonst.
„Ich muss weiterarbeiten“, schlucke ich hastig und lege auf. ‚Warum hast du das gesagt? Du machst ihr Hoffnungen, die du nicht halten kannst!’
Und ich sollte wohl auch Jessica davon informieren. Aber ich weiß jetzt schon, sollte sie Einspruch dagegen einlegen das Heather mitfährt, hat sie Pech gehabt.
Bevor ich Feierabend mache, rufe ich auf ihrem Handy an.
„Ja?“, es hat sich so eingebürgert, dass sie anruft, weil sie meist sehr beschäftigt ist, doch jetzt ist es mir egal, ob ich sie bei ihrem Morgenritual störe.
„Hallo Jessi“, sage ich freundlich. „Bist du gerade aufgestanden?“
„Ja, allerdings“, sie klingt ein bisschen unwillig. „Gibt es was Wichtiges?“
„Für mich schon“, entgegne ich. „Ich fahre mit den Kindern nochmal für zweieinhalb Wochen in den Urlaub. Wir haben ein großes Ferienhaus gemietet in Dänemark.“
„In Dänemark?“, kommt es abfällig. „Warum fährst du nicht in einen Club? Und dann in ein Ferienhaus? Willst du für die Kinder kochen?“, sie lacht spöttisch.
„Vielleicht“, antworte ich ernst.
„Willst du allen Ernstes zweieinhalb Wochen lang den Animateur spielen? Und dich um ein Ferienhaus kümmern?“, ihre Stimme trieft förmlich vor Hohn.
„Na ja, Heather wird sich wohl auch um die Kinder kümmern. Wir haben ein Haus direkt am Strand, Nele und Ben freuen sich schon“, ich halte für einen Moment die Luft an und warte gespannt auf ihre Reaktion.
„Heather fährt mit?“, kommt es jetzt skeptisch. „Ist ihr das wirklich recht? Immerhin könnte sie in der Zeit ja selbst in Urlaub fahren.“
„Ja, es ist ihr recht. Und es war der ausdrückliche Wunsch der Kinder“, erzähle ich ihr weiter. ‚Und von mir…’ , füge ich noch in Gedanken hinzu.
„Na, wenn euch das Spaß macht“, sagt sie zynisch.
„Ich bin sicher, den werden wir haben“, mein Tonfall wird jetzt auch etwas schärfer, dann denke ich aber daran, welche Arten von Spaß das beinhaltet, und mein Gewissen meldet sich wieder zu Wort. ‚Immerhin telefonierst du hier mit deiner Frau und erklärst ihr gerade, dass deine Geliebte mit in Urlaub fährt…’
„Gibt es denn bei dir was Neues?“, erkundige ich mich deswegen höflich. Nicht, dass mich das wirklich interessieren würde, was sie da für komische Sachen im Workshop machen, aber ein bisschen guten Willen zu zeigen, kann ja nicht verkehrt sein.
Jessica springt voll darauf an und es sprudelt jetzt nur so aus ihr heraus. Sie waren bei einem berühmten Produzenten in dessen Villa in den Hollywood Hills eingeladen und sogar ein paar sehr bekannte amerikanische Schauspieler waren auch dabei. Ich staune wirklich, als ich die Namen höre. Jessi berichtet ausführlich über den Luxus in dieser Villa.
‚Kein Wunder, dass ihr ein Ferienhaus in Dänemark nicht gut genug erscheint’ , denke ich bitter.
Ich höre noch eine Weile zu, heuchele Interesse, dann wird es Zeit für sie, sich fertig zu machen. Ich beende mit einem merkwürdigen Gefühl das Gespräch. Ich vermisse Jessica nicht. Ich hab sie noch nicht eine Sekunde vermisst, gestehe ich mir ein.
Irgendwie kriege ich den Arbeitstag rum und als ich nach Hause komme und in die Eingangshalle hineingehe, fliege ich als Erstes über ein kleines Reiseköfferchen.
„Hab schon packt“, kommt mir Ben entgegengeflitzt und weil so ein Strahlen auf seinem Gesichtchen liegt, verzeihe ich ihm natürlich auch sofort, dass ich gestolpert bin.
„Das ist ja schön, was hast du denn da alles drin?“
Ben zappelt auf meinem Arm und ich lasse ihn hinunter. Umständlich öffnet er seinen Koffer und zu Tage kommen etliche Legosteine, ein Bilderbuch, Hennes natürlich, zwei Fußballerbildchen und ein uralter Schnuller.
„Wozu brauchst du denn den?“, ich halte den Nuckel hoch, dessen Gummi schon ganz porös ist.
„Nur für alle Fälle“, zwinkert Heather mir zu. „Der Schnuller liegt immer unter Bens Kopfkissen, er braucht ihn nicht, aber er hat die Sicherheit, dass er jederzeit auf ihn zugreifen kann.“
„Ach so“, ich staune ein wenig und habe prompt ein schlechtes Gewissen, dass ich dieses Geheimnis nicht kenne.
„Aber Hennes solltest du herausnehmen, Darling. Den brauchst du doch zum schlafen“, Heather küsst ihn aufs Köpfchen. „Wir werden ihn schon nicht vergessen.“
Mein Sohn scheint das einzusehen und fischt den heißgeliebten Plüsch-Geißbock wieder aus dem Köfferchen.
„Und Petra hat schon durchgesagt, dass das Essen fertig ist“,
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