Unsichtbar und trotzdem da!, 5, Spur der Erpresser (German Edition)
ich auch nur das Geringste verrate“, rief sie mit tränenerstickter Stimme. „Ihr kennt ihn nicht. Er ist grausam und unersättlich. Geht schnell weg. Ihr bringt meine Lieblinge in Gefahr.“
„Gleich“, sagte Ağan und trat vor. „Aber wer sind Ihre Lieblinge?“
„Fjodor“, schluchzte die Gräfin. „Und Leonid.“
„Fjodor und Leonid“, wiederholte Ağan. „Und wer sind Fjodor und Leonid?“
„Na, meine Barsois!“
Jenny, Ağan und Addi sahen sich unsicher an. Das Wort klang irgendwie schön und zugleich unheimlich. Handelte es sich doch um Geister? Waren sie in eine Entführung von Spukwesen geraten? Doch die Gräfin schien das Unwohlsein der Unsichtbar-Affen genauso wenig zu bemerken, wie sie sich daran erinnern konnte, sie am Vorabend getroffen zu haben. Plötzlich aber hob sie einen Arm und deutete auf eines der Bilder auf dem Klavier.
„Da!“
Ağan, Jenny und Addi wandten den Kopf. Auf einem goldgerahmten Foto waren zwei große Hunde zu sehen. Sie waren dünn und hatten langes, helles Fell, das ihnen leicht gewellt über den Körper fiel. Aus mandelförmigen, dunklen Augen blickten sie den Betrachter an und strahlten eine große Würde und Anmut aus.
„Es sind Hunde!?“, rief Jenny.
„Natürlich“, schluchzte die Gräfin. „Russische Windhunde. Jagdhunde! Die schnellsten Landtiere der Erde. Barsois, das habe ich doch gesagt. Das heißt doch auf Russisch nichts anderes als schnell.“
Für einen Augenblick waren Ağan, Jenny und Addi fast erleichtert. Es war kein Mensch in Gefahr.
Und es waren auch keine Geister.
Die vermissten Lieblinge waren zwei Hunde.
Jenny ging auf die Gräfin zu und fasste nach ihrer Hand. „Ich habe sie gesehen“, sagte sie. „Sie laufen schnell wie der Wind. Und so leicht wie Nebel. Und es sieht fast so aus, als würden sie über den Boden schweben.“
„Ja!“, flüsterte die alte Dame kaum hörbar.
Jenny wandte sich ihren Freunden zu. „Das waren die Geister ! Ganz klar. Ich habe die Hunde gesehen. Der Erpresser muss sie ausgeführt haben. Wahrscheinlich an einer sehr langen Leine, damit sie rennen können und ihm trotzdem nicht weglaufen. Und Goffi hat den Entführer gewittert. Deswegen hat er gefaucht.“
Mit einem Mal war die Gräfin wieder ganz aufgeregt. „Du hast sie gesehen? Wie geht es ihnen? Wie geht es meinen Lieblingen?“
„Das weiß ich nicht genau“, bekannte Jenny. „Aber sie sind ganz sicher lebendig. Gestern Abend, bevor Sie dem Erpresser IhrenSchmuck gegeben haben, sind wir den beiden begegnet. Sie sahen aus wie zwei Gespenster. Ich habe sie sogar zunächst dafür gehalten.“
„Ja“, lächelte die Frau. „Kein anderer Hund läuft so elegant und geheimnisvoll wie ein Barsoi. Und die beiden sind noch dazu aus alter Zucht.“ Ein Leuchten huschte über ihr Gesicht, aber dann wurde ihr Blick wieder trüb. „Und deswegen kann ich sie doch nicht in seinen Händen lassen.“
„Aber wer ist er ?“, fragte Addi. „Kennen Sie den Erpresser?“
„Ja, leider. Ich habe ihm ja vertraut. Er hat sich als Hundeausführer ausgegeben und gesagt, er komme gerade aus Petersburg und wolle sich ein paar Euro verdienen. Da wollte ich ihm helfen. Und meine Lieblinge brauchen sowieso mehr Auslauf, als ich ihnen bieten kann! Gute Referenzen von anderen Hundebesitzern konnte er ja auch vorweisen.“
„Was sind Referenzen?“, fragte Addi.
„Empfehlungsschreiben“, erklärte Jenny.
Die Gräfin nickte. „Ich dachte, unsere Begegnung sei ein glücklicher Zufall. Außerdem hatte er wirklich ein sehr gutes Händchen für Hunde. Er verstand es, mit ihnen umzugehen. Sie mochten ihn … und ich auch. Er hatte ein so feines Gesicht und sah ganz unschuldig aus, fast wie ein Engel. Vor der Grünen Lampe sprach er mich an. Und da ihn dort auch andere kannten, habeich ihm vertraut. Die ersten Male ist er ja auch immer wiedergekommen ...“
„Sie wissen nicht, wo der Mann wohnt?“, fragte Jenny.
„Nein, ich weiß gar nichts über ihn. Er nennt sich Michail. Er hatte jede Menge Referenzen. Gefälscht, wie ich jetzt weiß. Aber ich habe ihm geglaubt. Ich dumme alte Frau.“
„Bitte.“ Jenny schüttelte den Kopf. „Sagen Sie das nicht über sich. Sie wollten nur etwas Gutes tun.“
„Ja, aber was dabei herausgekommen ist, seht ihr ja. Jetzt nimmt er alles, was ich habe.“
„Nein“, widersprach ihr Ağan. „Eine persische Weisheit sagt: Dann erst sollt ihr das Verlöschen des Weltenlichts fürchten, wenn eine Seele nichts mehr für
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