Unsichtbar
hat vor, diesen Herbst ihre Abschlussarbeit in englischer Literatur hier an der Columbia anzufangen. Und Sie, mein junger intellektueller Freund, mein knospender Wortschmied und Übersetzer obskurer mittelalterlicher Dichter, entpuppen sich als jemand, der an seiner Highschool ein hervorragender Baseballspieler war und zum zweiten Kapitän der Uni-Mannschaft gewählt wurde. Mens sana in corpore sano. Genauer gesagt, von meinen Quellen erfahre ich, dass Sie ein Mensch von großer moralischer Integrität sind, ein Muster an Mäßigung und gesundem Urteilsvermögen, jemand, der sich im Gegensatz zur Mehrheit seiner Kommilitonen nicht mit Drogen abgibt. Alkohol ja, aber sonst keinerlei Drogen - nicht einmal gelegentlich ein Zug an einem Joint. Wie kommt das, Mr. Walker? Warum haben Sie, bei all der Propaganda heutzutage über die befreienden Kräfte von Halluzigenen und Narkotika, der Versuchung widerstanden, neue und stimulierende Erfahrungen zu machen?
Warum?, fragte ich, noch schwindlig vom Eindruck des erstaunlichen Vortrags, den Born mir über meine Familie gehalten hatte. Ich sage Ihnen, warum, aber zuerst würde ich gern wissen, wie Sie es geschafft haben, in so kurzer Zeit so viel über uns herauszubekommen.
Gibt's da ein Problem? Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?
Nein. Ich bin nur ein wenig verblüfft, das ist alles. Sie können nicht bei der Polizei oder beim FBI sein, aber ein Gastprofessor an der School of International Affairs könnte durchaus etwas mit irgendeinem Nachrichtendienst zu tun haben. Habe ich recht? Arbeiten Sie für die CIA?
Born bog sich vor Lachen, als ich das sagte, und gebärdete sich, als hätte ich den lustigsten Witz des Jahrhunderts erzählt. Die CIA!, rief er. Die CIA! Wie käme ein Franzose dazu, für die CIA zu arbeiten? Entschuldigen Sie, dass ich lache, aber die Vorstellung ist so irrsinnig komisch, dass ich mir nicht zu helfen weiß.
Also, wie haben Sie das dann alles herausgefunden?
Ich bin ein gründlicher Mensch, Mr. Walker, jemand, der erst handelt, wenn er alles weiß, was er wissen muss, und da ich drauf und dran bin, fünfundzwanzigtausend Dollar in einen jungen Mann zu investieren, der für mich nicht viel mehr als ein Fremder ist, hielt ich es für angebracht, so viel wie möglich über ihn in Erfahrung zu bringen. Sie würden staunen, wie effektiv man sich das Telefon zunutze machen kann.
Margot stand jetzt auf und begann, die Teller vom Tisch zu räumen, um Platz für den nächsten Gang zu schaffen. Ich wollte ihr helfen, aber Born bedeutete mir mit einem Wink, mich wieder hinzusetzen.
Können wir auf meine Frage zurückkommen?, sagte er.
Welche Frage?, fragte ich, weil ich den Faden verloren hatte.
Warum Sie keine Drogen nehmen. Selbst die reizende Margot genehmigt sich ab und zu einen Joint, und um ganz offen zu sein, auch ich habe eine gewisse Schwäche für Gras. Sie hingegen nicht. Ich möchte wissen, warum.
Weil Drogen mir Angst machen. Zwei meiner Freunde von der Highschool sind bereits an einer Überdosis Heroin gestorben. Mein Zimmergenosse im ersten Studienjahr ist durch Speed unter die Räder gekommen und musste das College verlassen. Immer wieder habe ich Leute gesehen, die von schlechtem LSD halb wahnsinnig geworden sind - sie haben geschrien und gezittert und wollten sich nur noch umbringen. Ich will damit nichts zu tun haben. Von mir aus kann sich die ganze Welt mit Drogen betäuben, aber bitte ohne mich.
Und doch trinken Sie.
Ja, sagte ich, hob mein Glas und nahm einen Schluck Wein. Und mit großem Genuss, möchte ich hinzufügen. Besonders, wenn mir ein so guter Stoff wie dieser Gesellschaft leistet.
Danach gingen wir zum Salat über, gefolgt von einer Auswahl französischer Käse und einem Dessert, das Margot am Nachmittag gebacken hatte (Apfeltarte? Himbeertarte?), und in dieser halben Stunde war von dem Drama, das zu Beginn der Mahlzeit aufgeflammt war, immer weniger zu spüren. Born wurde mir gegenüber wieder freundlicher, und auch wenn er nicht aufhörte, ein Glas Wein nach dem anderen zu trinken, war ich nun zuversichtlich, dass wir das Essen ohne weitere Ausbrüche oder Beleidigungen von Seiten meines launischen, angesäuselten Gastgebers beenden würden. Dann öffnete er eine Flasche Brandy, steckte sich eine seiner kubanischen Zigarren an und begann, von Politik zu reden.
Zum Glück wurde es nicht so grauenhaft, wie man hätte befürchten können. Er hatte, als er den Cognac einschenkte, schon schwer einen sitzen, und nach
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