Unsichtbar
sagte sie. Aber er hat zurzeit sehr viel im Kopf und ist ganz durcheinander.
Na ja, wenigstens war es nicht langweilig.
Sie haben großes Taktgefühl bewiesen.
Sie auch. Und danke für das Essen. Das navarin werde ich nie vergessen.
Margot lächelte mir flüchtig zu und sagte: Wenn ich für Sie kochen soll, lassen Sie es mich nur wissen. Ich kann Ihnen gern noch einmal etwas vorsetzen, wenn Rudolf in Paris ist.
Klingt gut, sagte ich; die Einladung rührte mich, aber mir war klar, dass ich niemals den Mut aufbringen würde, sie anzurufen.
Wieder ein knappes Lächeln, dann zwei mechanische Küsse, einen auf jede Wange. Gute Nacht, Adam, sagte sie. Ich werde an Sie denken.
Ich wusste nicht, ob sie an mich dachte oder nicht, aber als Born jetzt außer Landes war, dachte jedenfalls ich an sie und konnte die nächsten zwei Tage kaum noch damit aufhören. Von dem ersten Abend auf der Party an, als Margot ihre Augen auf mich richtete und so eindringlich mein Gesicht studierte, bis zu unserem Abendessen, als Born die verstörenden Bemerkungen über meine Hingezogenheit zu ihr machte, hatte zwischen uns eine sexuelle Spannung geherrscht, und dass sie zehn Jahre älter war als ich, hielt mich nicht davon ab, mir vorzustellen, mit ihr im Bett zu sein, mir zu wünschen, mit ihr ins Bett zu steigen. War ihr Angebot, mir noch einmal etwas vorzusetzen, ein verschleierter Antrag, oder wollte sie sich einfach nur großzügig zeigen und einen jungen Studenten unterstützen, der sich mehr schlecht als recht von billigem Imbissfraß und aufgewärmten Dosenspaghetti ernährte? Ich war zu schüchtern, das herauszufinden. Ich wollte sie anrufen, aber jedes Mal, wenn ich nach dem Hörer griff, sah ich ein, dass es unmöglich war. Margot lebte mit Born zusammen, und auch wenn er behauptet hatte, dass sie nicht vorhätten zu heiraten, war sie bereits besetzt, und ich glaubte kein Recht zu haben, ihr nachzulaufen.
Dann rief sie mich an. Drei Tage nach dem Essen, um zehn Uhr vormittags, läutete in meiner Wohnung das Telefon, und am anderen Ende der Leitung war sie: Ein wenig gekränkt und enttäuscht, weil ich mich nicht gemeldet hatte, äußerte sie auf ihre zurückhaltende Art mehr Gefühl als jemals, seit wir uns kennengelernt hatten.
Tut mir leid, log ich, aber ich wollte Sie heute noch anrufen. Sie sind mir um ein paar Stunden zuvorgekommen.
Komischer Junge, sagte sie, meine Schwindelei sofort durchschauend. Sie müssen nicht kommen, wenn Sie nicht wollen.
Aber ich will, antwortete ich und meinte es diesmal ehrlich. Unbedingt. Heute Abend?
Heute Abend passt mir sehr gut.
Wegen Rudolf brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Adam. Er ist weg, und ich kann tun, was ich will. Das können wir alle. Niemand kann einen anderen Menschen besitzen. Verstehen Sie das?
Ich glaube schon.
Wie wär's mit Fisch?
Fisch ist immer gut.
Ich dachte an gegrillte Seezunge. Mit kleinen Salzkartoffeln und choux de Bruxelles. Sind Sie damit einverstanden, oder möchten Sie lieber etwas anderes?
Nein. Ich träume jetzt schon von der Seezunge.
Kommen Sie um sieben. Und lassen Sie diesmal die Blumen weg. Ich weiß, Sie können sich das nicht leisten.
Nachdem wir aufgelegt hatten, quälte ich mich neun Stunden lang mit Vorahnungen, träumte mich mit offenen Augen durch die Nachmittagsvorlesungen, grübelte über die Rätsel der geschlechtlichen Anziehung nach und versuchte zu verstehen, was Margot an sich hatte, das mich in einen derartigen Zustand der Erregung versetzte. Mein erster Eindruck von ihr war nicht besonders günstig gewesen. Sie war mir als ein sonderbares, seichtes Geschöpf erschienen, im Grunde vielleicht durchaus wohlwollend und bezaubernd anzusehen, aber ohne Elektrizität, eine Frau, verloren in einer düsteren Innenwelt, die sie von echter Beschäftigung mit anderen ausschloss, als sei sie bloß eine stumme Besucherin von einem fremden Planeten. Zwei Tage später hatte ich Born im West End getroffen, und als er mir von ihrer Reaktion auf unsere Begegnung bei der Party erzählte, begannen meine Gefühle für sie sich zu verändern. Offenbar mochte sie mich und sorgte sich um mein Wohlergehen, und wenn man erfährt, dass man jemandem sympathisch ist, findet man den anderen instinktiv ebenfalls sympathisch. Dann kam das Abendessen. Die Trägheit und Präzision ihrer Gesten, als sie die Blumen schnitt und in die Vase stellte, hatten etwas in mir angerührt, und plötzlich war mein unverfängliches Zusehen in Faszination
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