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Unsichtbar

Unsichtbar

Titel: Unsichtbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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er sich in seinem Sessel zurück und sagte aus heiterem Himmel: Ich möchte Ihnen danken, Walker. Sie haben mir einen wichtigen Dienst geleistet.
    Mir danken? Wofür?
    Dass Sie mir das Licht der Wahrheit gezeigt haben. Ich stehe tief in Ihrer Schuld.
    Ich weiß immer noch nicht, wovon Sie reden.
    Margot.
    Was ist mit ihr?
    Sie hat mich betrogen.
    Wie?, fragte ich. Ich versuchte, mich dumm zu stellen, kam mir aber lächerlich vor und hätte vor Scham im Boden versinken mögen, während Born mich immer noch anstrahlte.
    Sie hat mit Ihnen geschlafen.
    Das hat sie Ihnen erzählt?
    Was sie auch sonst für Fehler haben mag, Margot lügt nie. Wenn ich nicht irre, haben Sie fünf aufeinanderfolgende Nächte mit ihr verbracht - hier in dieser Wohnung.
    Es tut mir leid, sagte ich und senkte den Blick; es war mir so peinlich, dass ich Born nicht in die Augen sehen konnte.
    Das braucht Ihnen nicht leidzutun. Ich habe Sie doch praktisch dazu aufgefordert, oder? Ich an Ihrer Stelle hätte wahrscheinlich dasselbe getan. Es lag auf der Hand, dass Margot mit Ihnen schlafen wollte. Warum sollte ein gesunder junger Mann eine solche Gelegenheit verstreichen lassen?
    Wenn Sie wollten, dass sie es tut - warum fühlen Sie sich dann betrogen?
    Ach, aber ich wollte doch nicht, dass sie es tut. Ich habe nur so getan.
    Und warum das?
    Um ihre Treue auf die Probe zu stellen. Darum. Und das Luder hat nach dem Köder geschnappt. Keine Sorge, Walker. Ich habe sie mir vom Hals geschafft, und ich muss Ihnen danken, dass ich sie losgeworden bin.
    Wo ist sie jetzt?
    In Paris, nehme ich an.
    Haben Sie sie rausgeworfen, oder ist sie freiwillig gegangen?
    Schwer zu sagen. Wahrscheinlich ein wenig von beidem. Sagen wir, es war eine Trennung in beiderseitigem Einvernehmen.
    Die arme Margot...
    Wunderbar am Herd, wunderbar im Bett, aber im Grunde auch nur eine hirnlose Schlampe. Sie müssen sie nicht bedauern, Walker. Das ist sie nicht wert.
    Harte Worte für eine Frau, mit der Sie zwei Jahre lang zusammengelebt haben.
    Mag sein. Wie Sie bereits bemerkt haben, geht zuweilen die Zunge mit mir durch. Aber Tatsachen sind Tatsachen, und Tatsache ist, dass auch ich nicht jünger werde. Ich muss allmählich ans Heiraten denken, und kein vernünftiger Mann käme auf die Idee, ein Mädchen wie Margot zu heiraten.
    Denken Sie an jemand Bestimmtes, oder ist das nur eine Absichtserklärung?
    Ich bin verlobt. Seit zwei Wochen. Auch eines der Dinge, die mir auf der Reise nach Paris gelungen sind. Deshalb bin ich heute Abend so gut gelaunt.
    Gratuliere. Und wann ist der große Tag?
    Das steht noch nicht fest. Die Hochzeit kann frühestens im nächsten Frühjahr stattfinden, weil vorher noch einige komplizierte Dinge zu regeln sind.
    Ein Jammer, wenn man so lange warten muss.
    Es lässt sich nicht ändern. Genau genommen ist sie noch mit einem anderen verheiratet, und wir müssen warten, bis die juristische Prozedur abgeschlossen ist. Nicht dass es das nicht wert ist. Ich kenne diese Frau seit der Zeit, als ich so alt war wie Sie jetzt; sie ist ein außerordentlicher Mensch, der Partner, nach dem ich mich mein Leben lang gesehnt habe.
    Wenn Ihnen so viel an ihr liegt, warum waren Sie dann die letzten zwei Jahre mit Margot zusammen?
    Weil ich nicht wusste, dass ich verliebt war, bevor ich sie in Paris wiedergesehen habe.
    Margot geht, Ehefrau kommt. Ihr Bett wird nicht lange leer bleiben, wie?
    Sie unterschätzen mich, junger Mann. So sehr ich mir wünsche, auf der Stelle mit ihr zusammenzuziehen, werde ich damit warten, bis wir verheiratet sind. Das ist eine Frage des Prinzips.
    Ein echter Ritter.
    Sie sagen es. Ein echter Ritter.
    Wie unser alter Freund aus dem Perigord, der edle, friedliebende Bertran.
    Als ich den Namen des Dichters erwähnte, schien Born zu erstarren. Merde!, sagte er und klatschte sich mit der linken Hand aufs Knie, das hätte ich fast vergessen. Ich schulde Ihnen Geld, richtig? Bleiben Sie sitzen, ich gehe mein Scheckheft suchen. Dauert keine Minute.
    Mit diesen Worten sprang Born aus seinem Sessel und stürzte aus dem Zimmer. Ich stand auf, um mir die Beine zu vertreten, und als ich am Esszimmertisch angekommen war, der keine drei oder vier Meter vom Sofa entfernt stand, war er schon wieder zurück. Kurzerhand griff er sich einen Stuhl, nahm Platz, schlug das Scheckheft auf und begann zu schreiben - er benutzte einen gesprenkelten grünen Füllfederhalter, das weiß ich noch, mit breiter Feder und blauschwarzer Tinte.
    Ich gebe Ihnen

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