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Unsichtbar

Unsichtbar

Titel: Unsichtbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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noch nicht wusste, was ich von ihr zu erwarten hatte, war ich zaghaft, ein wenig eingeschüchtert von dieser Frau, die so viel mehr Erfahrung besaß als ich, ein Anfänger in den Armen einer Veteranin, ein Tollpatsch, der in seiner Nacktheit immer scheu und unbeholfen gewesen war, der bis dahin immer nur im Dunkeln und am liebsten unter der Decke Liebe gemacht hatte, mit Mädchen, die genauso scheu und unbeholfen gewesen waren wie er selbst, aber Margot war so ungezwungen, so kenntnisreich in den Künsten des Knabberns, Leckens und Küssens, so willig, mich mit Händen und Zunge zu erkunden, anzugreifen, schwach zu werden, sich ohne Scheu und Zögern hinzugeben, dass auch ich mich bald gehenließ. Wenn es sich gut anfühlt, ist es gut, sagte Margot einmal, und das war das Geschenk, das ich im Lauf dieser fünf Nächte von ihr erhielt. Sie lehrte mich, keine Angst mehr vor mir zu haben.
    Ich wollte, dass es niemals aufhörte. In diesem fremden Paradies mit dieser fremden, unergründlichen Margot zu leben war eines der besten, unwahrscheinlichsten Dinge, die mir jemals widerfahren waren, aber am nächsten Abend sollte Born aus Paris zurückkommen, und uns blieb nichts anderes übrig, als Schluss zu machen. Damals stellte ich mir vor, das sei nur eine vorübergehende Feuerpause. Als wir am letzten Morgen voneinander Abschied nahmen, sagte ich ihr, sie solle sich keine Sorgen machen, früher oder später würden wir einen Weg finden weiterzumachen, aber ich konnte so große Töne spucken, wie ich wollte, Margot ließ sich nicht beruhigen, und gerade als ich die Wohnung verlassen wollte, füllten sich ihre Augen unerwartet mit Tränen.
    Ich habe ein ungutes Gefühl, sagte sie. Ich weiß nicht, warum, aber etwas sagt mir, das ist das Ende, das ist das letzte Mal, dass ich dich sehe.
    Sag so was nicht, antwortete ich. Ich wohne nur wenige Straßen von hier. Du kannst jederzeit zu mir kommen.
    Ich will's versuchen, Adam. Ich werde mein Bestes tun, aber erwarte nicht zu viel von mir. Ich bin nicht so stark, wie du glaubst.
    Ich verstehe dich nicht.
    Rudolf. Ich glaube, wenn er zurückkommt, wird er mich rauswerfen.
    Wenn er das tut, kannst du bei mir einziehen.
    Und mit zwei Collegestudenten in einer schmutzigen Wohnung leben? Dafür bin ich zu alt.
    So schlimm ist mein Mitbewohner gar nicht. Und die Bude ist alles in allem ziemlich sauber.
    Ich hasse dieses Land. Ich hasse alles hier, nur dich nicht, aber nur deinetwegen werde ich nicht bleiben, das reicht mir nicht. Wenn Rudolf mich nicht mehr will, packe ich meine Sachen und gehe nach Paris zurück.
    Du redest, als wolltest du, dass es so kommt, als plantest du schon, selbst Schluss zu machen.
    Ich weiß nicht. Kann sein.
    Und was ist mit mir? Haben diese Tage dir gar nichts bedeutet?
    Doch, sehr viel sogar. Ich war sehr gern mit dir zusammen, aber jetzt ist unsere Zeit abgelaufen, und sobald du von hier fortgegangen bist, wirst du begreifen, dass du mich nicht mehr brauchst.
    Das ist nicht wahr.
    Doch, so ist es. Du weißt es nur noch nicht.
    Wovon redest du nur?
    Armer Adam. Ich bin keine Lösung. Für dich nicht - wahrscheinlich für niemanden.

    So trostlos endete diese für mich so bedeutsame Zeit, und als ich die Wohnung verließ, war ich am Boden zerstört, verwirrt und vielleicht auch ein wenig wütend. In den Tagen danach ging ich immer wieder dieses letzte Gespräch durch, und je mehr ich darüber nachdachte, desto unsinniger erschien es mir. Einerseits war Margot bei unserem Abschied in Tränen ausgebrochen und hatte gesagt, sie fürchte, mich nie mehr wiederzusehen. Das hörte sich so an, als wollte sie, dass unsere Affäre noch weiterging, aber auf meinen Vorschlag, wir könnten uns dann ja in meiner Wohnung treffen, hatte sie hinhaltend reagiert und mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, das sei nicht möglich. Warum nicht? Es gebe keinen Grund - außer dass sie nicht so stark sei, wie ich geglaubt hätte. Ich konnte mir nicht denken, was das heißen sollte. Dann hatte sie von Born angefangen und sich in einen Wirrwarr von Widersprüchen und unvereinbaren Wünschen verstrickt. Sie sorgte sich, dass er sie rauswerfen könnte, und eine Sekunde später schien dies genau das zu sein, was sie wollte. Mehr noch, vielleicht würde sie sogar selbst die Initiative ergreifen und ihn verlassen. Nichts passte zusammen. Sie wollte mich und wollte mich nicht. Sie wollte Born und wollte Born nicht. Jedes Wort aus ihrem Mund stürzte um, was sie unmittelbar zuvor gesagt

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