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Unsichtbar

Unsichtbar

Titel: Unsichtbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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sechstausendzweihundertundfünfzig Dollar, sagte er. Fünftausend für die erste Ausgabe, plus zwölfhundertfünfzig als erstes Viertel Ihres Jahresgehalts. Lassen Sie sich Zeit, Adam. Wenn Sie den Inhalt bis ... sagen wir ... Ende August oder Anfang September zusammenstellen können, ist das noch früh genug. Bis dahin werde ich natürlich längst weg sein, aber wir können brieflich in Kontakt bleiben, und falls sich etwas Dringendes ergibt, können Sie mich per R-Gespräch anrufen.
    Es war der größte Scheck, den ich je gesehen hatte, und als er ihn aus dem Heft riss und mir hinreichte, wurde mir beim Anblick des Betrags geradezu schwindlig vor Besorgnis. Sind Sie sicher, dass es Ihnen ernst damit ist?, fragte ich. Das ist ungeheuer viel Geld.
    Natürlich ist es mir ernst damit. Wir haben eine Abmachung, und jetzt sind Sie an der Reihe, die bestmögliche erste Ausgabe unserer Zeitschrift zusammenzustellen.
    Aber Margot ist nicht mehr da. Sie sind ihr zu nichts mehr verpflichtet.
    Wovon reden Sie?
    Das Ganze war doch Margots Idee, erinnern Sie sich? Sie haben mir diesen Job ihr zuliebe gegeben.
    Unsinn. Das war von Anfang an meine Idee. Margot wollte immer nur mit Ihnen ins Bett. Irgendwelche Jobs oder Zeitschriften oder Ihre unsicheren Aussichten für die Zukunft waren ihr vollkommen gleichgültig. Dass sie mich darauf gebracht hat, habe ich Ihnen nur erzählt, weil ich Sie nicht in Verlegenheit bringen wollte.
    Was um alles in der Welt treibt Sie, das für mich zu tun?
    Um ganz ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Aber ich sehe etwas in Ihnen, Walker, etwas, das mir gefällt, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund bin ich bereit, ein Spiel mit Ihnen zu wagen. Ich wette, dass Sie Erfolg haben werden. Zeigen Sie mir, dass ich recht habe.

    Es war ein warmer Frühlingsabend, ein milder, schöner Abend, der Himmel wolkenlos, Blütenduft in der Luft, vollkommen windstill, nicht der leiseste Hauch einer Brise. Born wollte mit mir in ein kubanisches Restaurant an der Kreuzung Broadway und 109th Street (das Ideal, sein Lieblingslokal), doch als wir über den Columbia-Campus Richtung Westen gingen, schlug er plötzlich vor, wir sollten über den Broadway hinaus zum Riverside Drive gehen und ein wenig den Anblick des Hudson genießen; anschließend könnten wir dann am Park entlang unser Ziel ansteuern. Einen solchen Abend darf man nicht vergeuden, sagte er, und da wir keine Eile hätten, sollten wir das herrliche Wetter ausnutzen und den Weg ein wenig verlängern. Also spazierten wir durch den herrlichen Frühling und sprachen über die Zeitschrift, über die Frau, die Born zu heiraten gedachte, über die Bäume und Sträucher im Riverside Park, über die geologische Struktur der New Jersey Palisades am anderen Ufer, und ich erinnere mich, wie glücklich ich war, durchflutet von Wohlgefühl, und wie meine Zweifel an Born sich zu zerstreuen begannen oder zumindest fürs Erste beschwichtigt waren. Er hatte mir keine Vorwürfe gemacht, dass ich mich von Margot hatte verführen lassen. Er hatte mir einen Scheck über einen enormen Geldbetrag gegeben. Er verschonte mich mit seinen verschrobenen politischen Vorstellungen. Ausnahmsweise schien er einmal entspannt und unverkrampft, und vielleicht war er wirklich verliebt, vielleicht schlug sein Leben wirklich eine neue und bekömmlichere Richtung ein. Wie auch immer, an diesem einen Abend war ich bereit, ihn in günstigem Licht zu sehen.
    Wir gingen zum Riverside Drive an der Ostseite des Parks zurück und schlugen den Weg downtown ein. Einige Straßenlaternen waren ausgefallen, und als wir uns der 112th Street näherten, wurde es für mehrere hundert Meter fast vollständig finster. Die Nacht hatte den Tag abgelöst, und man konnte höchstens noch ein, zwei Meter weit sehen. Ich machte mir eine Zigarette an, und als das Streichholz vor meinem Mund aufflammte, bemerkte ich den schattenhaften Umriss einer Gestalt, die sich aus einem schwarzen Hauseingang löste. Eine Sekunde später packte Born mich am Arm und sagte stopp. Nur dieses eine Wort: Stopp. Ich ließ das Streichholz fallen und warf die Zigarette in den Rinnstein. Die Gestalt kam auf uns zu, bewegte sich unverkennbar in unsere Richtung, und ein paar Schritte weiter erkannte ich, dass es ein Schwarzer in dunkler Kleidung war. Er war ziemlich klein, wahrscheinlich nicht älter als sechzehn, siebzehn, aber nach drei oder vier weiteren Schritten begriff ich, warum Born mich am Arm gepackt hatte, und sah, was er bereits

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