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Unsichtbare Blicke

Unsichtbare Blicke

Titel: Unsichtbare Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Maria Reifenberg
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Zimmer.
    Als ich ihr erzählt hatte, was passiert war, starrte Sarah die Webcam an. Sie fingerte neugierig an dem Pflaster, das ich über die Linse geklebt hatte.
    «Er hat das Ding ferngesteuert?»
    In ihrer Stimme schwang Neugier, weder Unglauben oder gar Entsetzen waren in ihrer Frage zu entdecken. Ohne Vorwarnung zog sie die Klebestreifen weg. Fast schien es, als werfe sie sich in Pose, jedenfalls lächelte sie freundlich in die Kamera.
    «Was soll das?», fragte ich, blieb allerdings ganz ruhig dabei.
    Seit zwei Tagen hatte ich das Laptop nicht nur ausgeschaltet, sondern auch den Akku herausgenommen. Bevor ich ihn mit dem Stromnetz verband, pappte ich das Pflaster wieder an seinen Platz. Die beiden letzten Mails reichten, um Sarah das Lächeln auszutreiben.
    «Er bedroht dich!», schnaubte sie. «Und er meint es ernst, sonst hätte er dir die Fotos nicht geschickt.»
    Erst jetzt wurde ihr klar, wie nah Geronimo nicht nur mir gewesen war, als er die Bilder geschossen hatte. Ich konnte förmlich zuschauen, wie in ihr das Gefühl einer Bedrohung wuchs. Sarah war jedoch nicht der Typ, der sich schnell einschüchtern ließ.
    «Ich gehe davon aus, dass deine Eltern nichts davon wissen.»
    «Bist du wahnsinnig?» Ich hätte nicht vor ihr gestanden, wenn das der Fall gewesen wäre. Die nächste Frage nahm ich vorweg. «Niemand weiß etwas davon, Felix auch nicht.»
    «Du hast mit ihm … hast du wirklich? Im Spreewald zwischen Riesenlibellen und Wasserschlangen?»
    Das Tempo, in dem Sarah ihre Stimmungen wechseln konnte, war atemberaubender als ihr Fahrstil. Ihr Lachen kam ohne Vorwarnung; es floss über in absolut kindisches Gekreische und einen Freudentanz, bei dem sie sich johlend um meinen Hals warf. Wir stolperten auf mein Bett.
    «Du legst diesen süßen Italiener flach und erzählst mir nichts davon?» Im selben Atemzug posaunte sie heraus: «Du nimmst keine Pille?»
    «Sarah, es gibt andere Möglichkeiten.»
    «Stimmt. Oh Mann, ich glaub es nicht», wiederholte sie immer wieder.
    Irgendwie steckte ihre Begeisterung an. Die Erinnerungen, mit denen ich danach jeden Abend eingeschlafen war, bahnten sich vorsichtig ihren Weg durch das Gestrüpp aus Dornen, die sie schon zu ersticken drohten. «Und dann fährt der Schuft für sechs Wochen nach sonst wo.»
    Ich war so froh darüber. Wenn Felix da gewesen wäre, hätte er es hundert Prozent mitgekriegt.
    «Habt ihr was im Kühlschrank?», fragte sie plötzlich. «Ich sterbe vor Hunger.»
    Natürlich hatten wir das, der Kühlschrank quoll über. Die Wallfahrt hätte auf Fahrrädern bis Jerusalem gehen können; etwa für diesen Zeitraum hatte Mama eingekauft.

26
    Er hatte es sich mit ein paar Nachos, Peperoni und Käsecreme bequem gemacht. Die Monitore behielt er auch von dem schmalen Sofa aus im Blick. Der Zweisitzer war wie neu, warum die Leute so etwas ausmusterten, hopp und weg und immer den neusten Schick von allem, verrückt. Er hatte es aus dem Secondhand-Möbellager hinter der Hauptverwaltung mitgenommen. Vielleicht konnte er die Bezüge der Polster mal austauschen. Die Schärfe der Peperoni brannte auf seiner Zunge. Er steckte den Finger tief in das Glas mit dem Käse und löschte den Brand in seinem Mund. Die Nachos knackten zwischen seinen Lippen, als das Fiepen am Hauptbildschirm ertönte.
    Seine Kleine war online. Wahrscheinlich pappte noch immer etwas auf der Linse, aber das war mittlerweile auch egal.
    «Keine Hetze», murmelte er und kippte die kleinen grünen Biester in den Käse, rührte mit dem Finger um, lutschte ihn ab. Erst dann erhob er sich in aller Ruhe. Den Schreibtischstuhl kickte er mit dem Fuß nach hinten. Stehen war besser. Es war ein ganz anderes Gefühl, wenn man stand.
    «hey, geronimo», flammte das Chatfenster auf, «josie hier.»
    Er wartete.
    «ich hab mir alles noch mal durch den kopf gehen lassen, wir müssen einfach noch mal nachdenken über alles.»
    Vor ein paar Wochen hatte er etwas über einen Versuch im Fernsehen gesehen. Irgendein Wissenschaftler hatte Unmengen von Chatgeplapper von ein paar Studenten durch ein Programm laufen lassen und danach bestimmt, wer zu wem gehörte. Der Kerl hatte eine Hundert-Prozent-Trefferquote gehabt.
    Für das hier brauchte er keine beschissene Software.
    Entweder sie hielt ihn für einen Vollidioten, oder sie war es nicht. Keinen ihrer Codes brachte sie. Er grinste. «Wenn die Welt im Schlaf versunken ist, du wirst es nie bereuen …», tippte er und klickte auf
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. Natürlich kam die

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