Unsichtbare Kräfte
konnte die Wolken von seiner Stirn nicht verscheuchen. Dem Drängen der beiden Mädchen nachgebend, erzählte er ihnen von den Ereignissen mit Renard.
»Ich muß gleich weiter. Unsere Reise nach England erleidet dadurch einen Aufschub von ein paar Tagen. Der Indiojunge, Pablo, wird mich begleiten. Er ist ein anstelliger Bursche.«
Während Wildrake einen kurzen Imbiß nahm, bemühten sich die beiden Mädchen, Lebensmittel und Decken in die Flugjacht zu schaffen. Pablo hatte einen Freudensprung gemacht, als er hörte, daß er mitfliegen dürfe.
»Alles fertig! Lebt wohl, Maria, Edna! Bald bin ich wieder bei euch.«
Er umarmte rasch Braut und Schwester, trat in die Kabine, schaute sich nach dem Indianerjungen um. »Hallo, Pablo! Wo steckst du?«
»Er wird gleich da sein. Ich will ihm entgegengehen.« Maria verschwand hinter den Hütten. Ein paar Augenblicke, dann kam Pablo, ein paar große Decken über der Schulter, auf das Flugschiff zu, öffnete die Hintertür der Kabine, kletterte hinein.
»Alles fertig, Don Roberto!«
Vier Stunden bereits raste die Maschine nach Südosten. Wildrake hatte Pablo die einfachsten Hebelgriffe im Führerstand erläutert. Jetzt stellte er die automatische Steuerung an.
Er befahl Pablo, ihn nach zwei Stunden zu wecken, wollte sich eben niederlegen, da begann es sich unter den Decken zu regen. Das Lachen des Indianerjungen machte ihn aufmerksam.
»Was ist, Pablo?« fuhr Wildrake ihn barsch an.
Da wurde die Decke zurückgeworfen. Maria Anunziata stand vor Wildrake, der erschrocken zurückprallte.
»Maria! Bist du von Sinnen? Bist du krank, daß du solch wahnwitzige Gedanken ...«
»Ja, Robert!« sprach sie mit tonloser Stimme. »Ich bin krank - wenn du nicht bei mir bist!«
Sanft schloß er das Mädchen in seine Arme.
»Insel voraus!« schrie Pablo vom Führerstand her.
Schnell machte sich Wildrake frei, eilte nach vorn. Ein Blick zur Seite: Das Schiff war etwas nach Osten abgekommen. Schnell warf Wildrake das Steuer herum, stieg in größere Höhen.
Bei der gewaltigen Schnelligkeit, mit der die Maschine dahinschoß, konnte er in einer Stunde bei Droste und seinen Gefährten sein.
Der Flughafen von San Fernando bestand in der Hauptsache aus einem kleinen Reparaturschuppen, an den sich ein paar notdürftig aus Brettern zusammengeschlagene Hangars anschlossen. Davor ein Stück der Pampas, das sich gegenüber der Umgebung nur durch einige Warnungstafeln auszeichnete; sie besagten, daß ein Betreten durch Flirten und Herden verboten sei.
Ein Flugzeug landete. Ihm entstieg ein alter Mann, der die Maschine in einen der Hangars rollen ließ.
»Wie finde ich den Weg zur Hazienda La Cima, Señor?« wandte sich der Ankömmling in gebrochenem Spanisch an den Hafenkapitän. Der gab eine weitschweifige Erklärung.
Arvelin hörte den Erguß mit ruhigem Lächeln an. »Könnten Sie mir nicht einen Führer verschaffen, der mich im Auto hinbrächte?«
Der Kapitän zuckte die Achseln. »Kraftwagen, Señor? Unmöglich! Aber Pferde!«
»So besorgen Sie mir zwei Pferde und einen Führer.«
Nicht lange, und Arvelin ritt unter Führung eines Mestizen durch die Pampas, nach Süden zu. Wohl eine Stunde waren sie unterwegs, da leuchteten vor ihnen die weißen Gebäude einer Hazienda. Arvelin stieg ab und bedeutete dem Führer, seine Rückkunft zu erwarten. —
Wohl zwei Stunden schon hatte Arvelin Virgina Winterloo gegenübergesessen. Da trat ein Diener ein, der seiner Herrin diskret ein paar Worte zuraunte. Eine flüchtige Röte glitt über ihr Gesicht. Hastig erhob sie sich, ging hinaus, wandte sich in der Tür noch einmal um.
»Ich komme gleich wieder, Herr Doktor!«
Das also war die Mutter des Erben von Winterloo! Ihr Antlitz zeigte noch Spuren früherer Schönheit. Doch eine starke innere Unruhe ging von dieser Frau aus. Arvelin hatte den Grund für ihre offenbare Erregung darin gesucht, daß sein Erscheinen und sein Auftrag ihr allzu überraschend kämen. Im Laufe der Unterredung hatte er jedoch zu seinem Erstaunen bemerkt, daß in dem Telegramm ihres Sohnes Oswald, das auf dem Tisch lag, die Ursache ihrer Beklemmung zu suchen war.
Er nahm es zur Hand, überflog die Worte: »Ich komme morgen mit dem Postflugschiff. Keine Entschließung, bevor ich da!«
*
Den Mestizen, der ihn zu Pferd hierhergebracht, hatte Arvelin wie beiläufig über Oswalds Mutter auszuforschen versucht. Er hatte mancherlei zu berichten gewußt. So auch von der bevorstehenden Hochzeit der Señora mit einem
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